MERCEDES-BENZ ANTOS
„Das ist nicht der Nachfolger des Axor“, warnt bei der Vorstellung im Jahr 2012 Lkw-Chef Hubertus Troska vor einem nur allzu naheliegenden Missverständnis. Gemeint ist damit: Antos und Actros machen sich kaum Konkurrenz, fungieren eher als gegenseitige Ergänzung. „Speziell für den schweren Verteilerverkehr“ sei der Antos konzipiert, für den gleichwohl wie für den Axor gilt: 2,50 Meter breites Chassis und 2,30 Meter breite Kabine bilden das Fundament. Dann aber hören die Gemeinsamkeiten auch schon ganz schnell wieder auf. Kam der Axor zuerst einmal mit langer Kabine und Hochdach sowie einem für den europäischen Motorenkosmos von Mercedes exotischen Motor, so zieht der Antos in dieser Hinsicht ganz andere Saiten auf.
SPEZIALIST FÜR DEN VERTEILERVERKEHR
Seine schmale Kabine zum Beispiel ist ausschließlich in kurzer oder mittellanger Fasson zu haben. Wer auf Hochdach oder volle Länge schielt, der muss sich von vornherein an den Actros halten. Weiter als bis hin zur M-Kabine mit 600 Millimeter breiter Klappliege reichen die Zugeständnisse nicht, die der Antos als Verteilerspezialist an eine zumindest rudimentäre Fernverkehrstauglichkeit machen darf.
Nicht nur die fesch geformten Scheinwerfer des neuen Actros muss sich der Antos verkneifen. Auch ein ebener Boden ist für ihn tabu. Seine Kabine kommt stets mit Motortunnel innendrin daher. Der ragt – je nachdem – mal 170, mal 320 Millimeter in die Höhe. Drei Stufen führen so treppenförmig in den Antos hinein, wie es schmales Haus und breites Chassis eben möglich machen. Drinnen grüßt in groben Zügen die vom Actros her bekannte Innenarchitektur mit leicht kantig geschnittenem Cockpit sowie dahinterliegender horizontaler Ablage. Mit Konsolen und Flaschenhaltern aller Art ist das Fahrerhaus reichlich gesegnet. Sogar ein Außenstaufach gibt es bei der M-Kabine fahrerseitig. Arg viel passt da aber nicht hinein.
Insgesamt hält der Antos den Ball generell deutlich flacher als der Actros: Bei den Materialien hat die Abwaschbarkeit deutliche Priorität vor der Wohnlichkeit. Fahrerseitig dominiert die Farbe Schwarz, beifahrerseitig schimmert’s etwas heller in Flanellgrau. Und der Himmel gibt sich dezent bedeckt, irgendwo zwischen Grau und Beige. Kurzum: Bei der Kabine hält Mercedes den Antos kurz.
VIELFALT BEI MOTOR, GETRIEBE UND ELEKTRONIK
Bei den Motoren aber darf er aus dem Vollen schöpfen: Da reicht das Spektrum der Varianten vom OM 936 mit 7,7 Liter Hubraum über den OM 470 (10,7 Liter) bis hin zum großen Reihensechszylinder OM 471 mit seinen 12,8 Liter Hubvolumen. In PS ausgedrückt bedeutet das: exakt 13 Leistungsstufen von 238 bis 510 PS. Und auch bei den Getrieben kommt der Antos sehr gut weg. Gibt ihm das Werk doch serienmäßig automatisierte Schaltboxen der Powershift-3-Generation mit acht oder zwölf Gängen serienmäßig mit auf den Weg.
Und da die Elektronik des Antos nun im Wesentlichen der des Actros entspricht, spielt auch bei den Sicherheitssystemen Schmalhans nicht mehr Küchenmeister. Im Gegenteil: Deren Palette reicht vom Wasserretarder bis hin zum ganz neuen Notbremssystem ABA3, das jetzt bei stehenden Hindernissen nicht mehr nur anbremst, sondern voll in die Eisen geht (das ist natürlich auch für den Actros lieferbar). Auf rund 60 km/h beziffert Mercedes die maximale Geschwindigkeit, aus der ein Crash so noch mit ABA3 zu verhindern sei.
SPEZIFIKATIONSMÖGLICHKEITEN UND SPEZIALVARIANTEN
In die Vollen geht Mercedes nicht zuletzt auch bei den Spezifikationsmöglichkeiten für das Chassis: Sattelzugmaschinen sind wahlweise zwei- oder dreiachsig und mit Radständen von 2.650 bis 4.000 Millimetern zu haben. Motorwagen-Fahrgestelle liefert das Werk ebenfalls sowohl zwei- als auch dreiachsig und in elf Radständen von 3.700 bis 6.700 Millimetern.
Mundgerecht geschnitten für Aufbauten ist der Antos durch Konsolen an an definierten Positionen sowie durch einheitliche Elektronik-Schnittstellen über alle Baumuster hinweg. Der Rahmen selbst mit seinem Lochraster von 50 Millimetern (in Länge sowie Höhe) lässt jeden Schweizer Käse vor Neid erblassen und verfolgt damit nur ein Ziel: es auch den Feinschmeckern unter den Aufbauern recht zu machen.
Lieferbar ist der Antos (wie auch der neue Actros) außerdem in zwei Spezialvarianten. Der „Loader“ ist ein nutzlastoptimiertes Leichtgewicht, das an allen Ecken und Enden Pfunde lassen musste, um dann je nach Motorisierung (ausschließlich OM 396 sowie OM 470) mit nur 6,0 bis 6,4 Tonnen Eigengewicht glänzen zu können. Und zwar in Euro 6. Der „Volumer“ wiederum tritt an, das Strafzettelrisiko bei drei Meter Innen-Ladehöhe gänzlich zu bannen. Exakt 880 Millimeter Aufsattelhöhe sollen’s richten. Das sind 80 Millimeter weniger, als bisher bei Mercedes möglich war. Ins Werk gesetzt hat Mercedes diese extreme Tieflage per Bereifung 315/45 R 22,5, reduzierte Wege bei der Luftfederung sowie eine integrierte Sattelkupplung.