SATTELZUGMASCHINEN DER TYPENREIHE MERCEDES-BENZ AXOR
Die Baureihen Actros und Atego waren vor allem in einem Punkt nicht kompatibel: Der V-Motor des Actros passte nicht unter die Kabine des Atego. Deswegen musste der Konzern eine Lücke in Kauf nehmen, die der Atego schwer mit seinen kleinen Motoren der 900er-Baureihe nur unzulänglich schloss. Tankspediteure und andere, die auf jedes Kilo Nutzlast ebenso wie auf hohe Fahrleistung Wert legten, wurden fürs Erste nicht fündig.
Das sollte sich mit der 2001 vorgestellten Axor-Baureihe gründlich ändern, die für die ersten drei Jahre ihres Lebens allerdings nur als Sattelzugmaschine lieferbar war. Wer also zum Beispiel einen Kipper mit schmaler Kabine suchte, der griff auch dann noch weiterhin zum Atego schwer.
DIE LÖSUNG: EIN ALTER BEKANNTER
Nun aber war eine Maschine präpariert, die unter das nur 2.280 Millimeter breite Fahrerhaus des Atego passte und viel Leistung und Drehmoment hatte. Dabei handelte es sich um einen alten Bekannten, der schon seit mehr als 30 Jahren seinen Dienst im Konzern verrichtete. Er machte sich in südamerikanischen Lkw ebenso nützlich wie in Baumaschinen und Bussen weltweit.
Er geht zurück auf eine Zeit, in der MAN und Mercedes gemeinsam an Motoren arbeiteten und sich auf gleiche Maße bei Bohrung und Hub geeinigt hatten, und in der die V-Motoren der 400er-Baureihe entstanden. Bis auf die Grundabmessungen hatten aber die alte Baureihe 400 und der neue Axor-Motor keine Gemeinsamkeiten mehr. Anstatt zwei Ventilen pro Zylinder waren es dann deren vier, und statt der Reiheneinspritzpumpe von damals waren es Einzelsteckpumpen. Hinzu kam außerdem eine neue Motorbremse namens Turbobrake, die die Bremsleistung dieses Reihensechszylinders mit rund zwölf Liter Hubraum auf 600 Brems-PS hievte und damit schon gut und gerne an die Leistung von Kompaktretardern heranreichte.
Gezielt erzeugter Motorgegendruck (über den Turboladerverdichter ins Werk gesetzt) und somit ein besonders großer Luftdurchsatz im Motor waren es, was die Bremsleistung dermaßen beflügelte. Im Detail ging das so: Den serienmäßigen Turbolader mit seiner zweiflutigen Kabine ergänzten als Abblase-Einrichtung ein Wastegate für beide Turbinenhälften sowie ein Axialschieber, der das Turbobrems-Leitgitter trug. Im Motorbremsbetrieb nun schob sich das enge Turbobremsgitter vor das Turbinenrad und bewirkte damit hohen Motorgegendruck.
BREMSLEISTUNG PRAKTISCH VERDOPPELT
Das wiederum bewirkte, dass über den Verdichter dieser besonders hohe Luftdurchsatz im Motor entstand, der dessen Bremsleistung praktisch verdoppelte. Das Wastegate wiederum sollte eine Überbeanspruchung der Maschine verhindern. Stellte der Fahrer das Verzögern mit der Motorbremse ein, wurde das Bremsleitgitter vor dem Turbinenrad wieder herausgezogen. Mit der (im Axor als Sonderausstattung lieferbaren) Turbobrake konnte die klassische Auspuffklappe entfallen. Sie wäre bei diesem Ensemble sogar kontraproduktiv gewesen. Die Konstantdrossel als Instrument für eine gezielte Dekompression des zweiten und dritten Arbeitstakts blieb hingegen weiterhin vorhanden. Ihr Einsatz war auch bei der Turbobrake durchaus gefragt.
Beim Fahrgestell des Axor blieb es indes bei reinrassiger Actros-Technik. Das fing beim vorn gespreizten Rahmen mit genieteten und geschraubten Querträgern an, setzte sich über die kommod gefederte Vorderachse mit ihren Zweiblatt-Parabelfedern fort und hörte bei der Scheibenbremsanlage mit elektronischer Regelung noch lange nicht auf. Auch auf die vom Stabilenker geführte Hinterachse, die modernen Telligent-Ingredienzien wie flexibles Wartungssystem oder den CAN-Datenbus hatte der Käufer nicht zu verzichten. Abstriche musste er beim serienmäßigen Neunganggetriebe machen, das nur mechanisch-pneumatisch zu schalten war. Eine 16-gängige Schaltung mit EPS gab es aber als Sonderausstattung.
Das Fahrerhaus stimmte bis auf wenige Modifikationen mit dem des Atego überein, war grundsätzlich als langes L-Fahrerhaus montiert und stand in zwei Innenhöhen zur Wahl: 1.510 oder 1.910 Millimeter Stehhöhe vor den Sitzen.
LEICHTBAUMAßNAHMEN BEIM AXOR
Mundgerecht servierte Daimler-Benz den Axor allen nutzlasthungrigen Käufern serienmäßig eben mit jenem gewichtsparenden Neunganggetriebe sowie einer neuen, in Umformtechnik gefertigten Achse aus Stahlblech, die 80 Kilogramm weniger wog als die aus Gusseisen gefertigten Achsen beim Actros. Ihren Teil zum Leichtbau trugen das kompakte und etwas höher montierte Fahrerhaus des Atego sowie verschiedene Anbauteile (wie Luftkessel aus Aluminium) bei. Knapp 6,4 Tonnen erreichte der Axor auf diese Weise als unterstes Limit beim Leergewicht und unterbot den Actros in dieser Hinsicht um circa 250 bis 300 Kilogramm.
Zweiachsige Axor-Sattelzugmaschinen waren in den Leistungsklassen 350, 400 sowie 430 PS erhältlich und wurden grundsätzlich mit Luftfederung an der Hinterachse sowie in den Radständen 3.600 und 3.900 Millimeter geliefert. Als 6x2-Fahrzeug gab es die Axor-Sattelzugmaschinen in den gleichen Leistungsklassen, der Radstand bei den Dreiachsern betrug 3.225 Millimeter.