1998 - 2013

LASTWAGENFAHRGESTELLE DER TYPENREIHE MERCEDES-BENZ ECONIC

1998 - 2013

Mit einer eigenständigen Lkw-Baureihe bot das Werk für spezialisierte Anwendungen wie Entsorgungswirtschaft, Feuerwehr, Flughafen-Bodendienst, Getränkeauslieferung, Tanktransporte bis hin zu Autotransportern ab 1998 das neue Fahrzeugkonzept Econic an.

Der neue Mercedes-Benz Econic zeichnete sich aus durch eigens entwickelte Fahrerhäuser mit durchgehenden ebenen Fahrerhausböden, niedriger Rahmenhöhe von circa 874 Millimetern, eine geteilte und im Kopf abgesenkte Rahmenkonstruktion, eine niedrige Gesamthöhe und günstige Aggregatelage. Die tiefe Lage des Schwerpunktes war gleichzeitig ein Sicherheitsgewinn für die Fahrstabilität. Das Design setzte neue positive Akzente in der von „Arbeitsmaschinen” geprägten Branche Entsorgung. Der Mercedes-Benz Econic trat nicht in Wettbewerb mit den Baureihen Mercedes-Benz Actros und Atego, sondern ergänzte und rundete diese gezielt ab.

Die Nutzung von gleichen Komponenten des Actros-Fahrgestells und des Atego-Antriebsstrangs vereinigte die Vorteile der bewährten Großserien-Fahrzeuge aus dem Werk Wörth mit einer flexiblen Kleinserienproduktion, die anfangs bei der NAW Nutzfahrzeuge AG, einer heute nicht mehr existenten Tochterfirma des Konzerns stattfand. Heute baut das Werk Wörth den Econic. Angeboten wurde von Anfang an ein Fahrgestell als Zwei- und Dreiachser mit 18 und 26 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Angetrieben wurde das Fahrzeug vom Sechszylinder-Reihenmotor OM 906 LA in den zwei Leistungsklassen mit 231 und 279 PS.

VARIANTENVIELFALT BEIM ECONIC

Der Mercedes-Benz Econic wurde im ersten Schritt als Fahrgestell für den Entsorgungssektor vorgestellt, das entsprechend den Kundenwünschen spezifischen Anforderungen für Front-, Seiten- und Heckbeladung gerecht wurde. Heute gibt es die verschiedensten Varianten des Econic, zum Beispiel als Getränke-Lkw oder als Sattelzugmaschine, wie sie eine holländische Spedition im Jahr 2007 in Dienst gestellt hat. Der Econic basierte auf einem vollluftgefederten Niederrahmenkonzept mit optimalen Ein-, Aus- und Durchstiegen. Entsprechend den Einsatz- und Anforderungsbedingungen stand serienmäßig ein hohes und als Sonderausstattung ein niedriges Fahrerhaus zur Verfügung. Vom Boden bis zum Fahrerhausdach betrug das Maß 2.840 Millimeter bei der hohen und 2.390 Millimeter bei der niedrigen Kabine. Ein tief liegender und ebener Fahrerhausboden, der über zwei Trittstufen erreichbar war, hervorragende Sichtverhältnisse durch großflächige Fahrerhausverglasung, eine Stehhöhe von 1.935 Millimetern im hohen Fahrerhaus waren nur einige der markanten Merkmale des Mercedes-Benz Econic. In vielen Anforderungen erfolgte die konsequente Umsetzung von Sicherheitsmerkmalen, die sich zum Beispiel aus den Forderungen der Berufsgenossenschaft ergaben.

VERSCHIEDENE VARIANTEN AUCH BEIM FAHRERHAUS

Die beiden Kabinen des Mercedes-Benz Econic wurden in Aluminium-Space-Cage-Bauweise konzipiert und genügten höchsten Sicherheitsanforderungen. Bei dieser Bauweise wurden Aluminium-Strangpressprofile zu einer Art Käfig verschweißt und mit glasfaserverstärktem Kunststoff (SMC) beplankt. Vorteile dieser Bauweise waren hohe Festigkeit und geringes Gewicht. Das Design der Fahrerhäuser wurde durch die weiche, kubische Formgebung und den vorderen Überhang von 1.850 Millimetern geprägt. Mit diesem Erscheinungsbild brachte der Econic gute Raumausnutzung und die bequemen, in dieser Art und Weise bei einem Nutzfahrzeug erstmals realisierten Einstiegsverhältnisse zum Ausdruck. Zur Erfüllung der branchenspezifischen Anforderungen wurden speziell zwei Fahrerhausvarianten, die sich in der Höhe unterschieden, konzipiert. Maximale Raumausnutzung für den Fahrer und für bis zu drei Arbeiter war erklärtes Entwicklungsziel. Für die Einsätze im Entsorgungsbereich als Heck- oder Seitenlader stand ein Fahrerhaus mit 1.935 Millimeter Innenhöhe und für Front- oder Seitenlader eine Kabine mit 1.485 Millimeter Innenhöhe zur Verfügung. Der Einstieg für den Fahrer erfolgte über eine großzügig gestaltete linke Fahrertür mit einem großflächigen Fenster. Das Arbeitspersonal gelangte entsprechend den individuellen Einsatzforderungen beifahrerseitig durch eine Falt- (Serie) oder Drehtür (Sonderausstattung) in die Kabine. Dabei verkürzten die hohe Türausführung und der niedrige Einstieg die Ein- und Aussteigezeiten für das mitfahrende Personal. Dieses Konzept war nicht zuletzt auch ein wesentlicher Beitrag für die Gesunderhaltung des Arbeitspersonals. Die niedrige und breite Trittstufe war serienmäßig beleuchtet und sorgte für sicheres und gefahrloses Ein- und Aussteigen. Über breite Trittstufen gelangten Fahrer und Arbeitspersonal bequem in das Fahrerhaus. Der Abstand der ersten Stufe vom Boden betrug ca. 450 Millimeter (bei serienmäßiger Bereifung). Bis zum Fahrerhausboden waren es nur weitere 350 Millimeter. Handlaufartige Einstiegsgriffe, zahlreiche Ablagemöglichkeiten, ein strapazierfähiger Bodenbelag und die Innenausstattung waren speziell auf die Anforderungen im Entsorgungsbereich zugeschnitten.

Beide Fahrerhausvarianten waren nach ECE R 29 getestet worden, und die niedrige Kabine war auch gemäß Schwedentest lieferbar. Für sehr gute Sichtverhältnisse sorgten die Panorama-Verglasung, die großzügig dimensionierten Scheibenwischer und die großzügigen Außenspiegel. Auf beiden Seiten waren die Außen-Rückblickspiegel beheizbar und an der Beifahrerseite zusätzlich elektrisch verstellbar. Zudem war das Fahrzeug auf der Beifahrerseite serienmäßig mit heizbarem Weitwinkelspiegel und Rampenspiegel ausgerüstet.

KOMBIINSTRUMENT UND GROßER STAURAUM INKLUSIVE

Typisches Merkmal im Innenraum war der symmetrische Grundaufbau der Instrumententafel. Sie gliederte sich in die wesentlichen drei Gestaltungsschwerpunkte der Instrumentierung, Bedienung im Mittelsegment und die integrierte Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlage auf der Beifahrerseite. Im Kombiinstrument waren alle wichtigen Anzeigefunktionen zusammengefasst. Rundinstrumente, Displays und Kontrollleuchten waren gut ablesbar und blendfrei angeordnet. Oberhalb der Rundinstrumente befand sich die „Check Control“, die es dem Fahrer erlaubte, die tägliche Fahrzeug-Funktionskontrolle am Display auszuführen. Auf Wunsch konnten Vorrüstungen für verschiedene Kommunikationsgeräte wie Bündelfunk und Telefon/Fax bestellt werden. Zahlreich waren Staufächer und Ablagen: Im hinteren Dachbereich des hohen Fahrerhauses gaben vier Stauräume mit Klappen viel Raum für Arbeitsbekleidung und andere Dinge. Die Stauräume verliefen an der oberen Fahrerhausrückwand über die gesamte Breite der Innenkabine. Hinter den Sitzen befanden sich ein Flaschenhalter (4-fach), weiterer zusätzlicher Stauraum und ausreichend Platz für die Aufnahme der Fahrzeug- und Aufbauelektronik sowie elektronischer Geräte zur Datenerfassung. Vier Kleiderhaken an der Rückwand des Fahrerhauses machten den Arbeitsplatz komplett.

Serienmäßig waren alle Fahrzeuge mit einem luftgefederten Fahrer-Standard-Schwingsitz ausgerüstet. Für maximal drei mitfahrende Begleiter wurde eine Sitzbank serienmäßig eingebaut, an deren Stelle auch auf Wunsch ein statischer Beifahrersitz geliefert werden konnte. Eine leistungsstarke Heizung mit manueller Temperaturregelung sorgte bei kalten Witterungsbedingungen für angenehme Temperaturen im Fahrerhaus. Die Luftverteilung an die Frontscheibe, in den Fahrer- und Beifahrerfußraum und an die Seitenscheiben erfolgte über zahlreiche Belüftungs- und Heizungsdüsen. Eine wärmedämmende Verglasung rundum reduzierte die Aufwärmung der Kabine bei hohen Außentemperaturen. Im oberen Bereich der Windschutzscheibe des hohen Fahrerhauses war ein grüner Bandfilter eingelassen. Als Sonderausstattung für beide Fahrerhausvarianten stand eine im Vorbau integrierte Klimaanlage mit Pollenfilter mit einer Kühlleistung von circa 4,5 kW zur Verfügung.

NEUE RAHMENKONSTRUKTION

Der Rahmen basierte auf einer neuartigen zweigeteilten Konstruktion, wobei das Rahmenvorder- mit dem Rahmenhinterteil im Bereich hinter der Vorderachse vernietet und verschraubt war. Durch diese Baugeometrie ließen sich in diesem Bereich Radstandsänderungen und eventuell erforderliche Reparaturarbeiten kostengünstig und einfach durchführen. Die breite Palette der auf Basis des Mercedes-Benz Econic möglichen Spezial- und Sonderfahrzeuge ließ sich durch diese Trennung einfach darstellen. Alle Rahmenteile waren durch kathodische Tauch-Lackierung korrosionsgeschützt.

Das um 193 Millimeter stark nach unten abgesenkte Rahmenvorderteil bestand aus zwei symmetrischen U-Profil-artigen Längsträgern, wodurch sich die extrem niedrige Einstiegshöhe von circa 450 Millimetern (Boden bis erste Stufe im Fahrerhaus, abhängig von der Bereifung) ergab.

Das Rahmenhinterteil, bei dem es sich um ein Niederrahmenkonzept handelte, bestand aus geraden, eingezogenen U-förmigen Rahmenlängsträgern. Diese hatten durchgängig für alle Varianten die Steghöhe von 284 Millimetern bei sieben Millimeter Längsträgerdicke und wiesen ein durchgehendes Lochraster von 50 Millimetern auf. Die Vorteile dieser Rahmenbauart lagen insbesondere in der Aufbaufreundlichkeit, da keine Bauteile über die Rahmenoberkante ragten. Die niedrige Rahmenhöhe erlaubte kompakte Aufbauten und einen niedrigen Fahrzeugschwerpunkt. Die vorhandenen Radstandsvarianten ermöglichten es den Aufbauherstellern, unterschiedliche Aufbauvarianten einfach zu adaptieren. Bei der Verwendung von Hilfsrahmen waren keine weiteren Verstärkungsmaßnahmen am Fahrgestellrahmen notwendig, serienmäßige Befestigungsplatten ermöglichten einen schnellen und kostengünstigen Aufbau. Ein Frontunterfahrschutz war beim Econic serienmäßig vorgesehen.

In allen Gewichtsklassen, Antriebsarten und Achsformeln erhielten die Fahrzeuge serienmäßig eine Luftfederung und eigneten sich damit gleichermaßen für Fest- und Wechselaufbauten. Der im Mercedes-Benz Actros schon bewährte Stabilenker vereinte die Funktionen Achsführung und Stabilisierung in einem Bauteil, was zu einer deutlichen Verminderung von Gewicht führte. Die serienmäßige elektronische Niveauregelung war die Grundlage für verschiedene Aufbaukonzepte und ermöglichte verspannungsfreies Heben und Senken des Rahmens durch gleichgerichtete Einfederbewegung der Achsen. Bei allen Baumustern wurde serienmäßig die Bereifung 305/70 R 22,5 auf Steilschulterfelgen 9,00 x 22,5 montiert und ermöglichte ein zulässiges Gewicht auf der Vorder-, Vor- oder Nachlaufachse von 7.100 kg. Die zwillingsbereifte Hinterachse ließ für den Zwei- und Dreiachser jeweils eine Tragfähigkeit von 12.600 kg zu.

ERDGASANTRIEB (CNG) FÜR ALLE FAHRZEUGVARIANTEN

Für den Mercedes-Benz Econic kamen die Motoren der Baureihe OM 906 LA zum Einsatz. Aus einem Hubraum von 6,4 Litern schöpften diese Reihensechszylinder bei einer Leistung von 231 PS ein maximales Drehmoment von 810 Nm bei 1.300/min beziehungsweise mit 279 PS ein maximales Drehmoment von 1.100 Nm bei 1.300/min.

Der Lüfterantrieb erfolgte bei allen Motoren hydrostatisch. Diese Entkopplung des Lüfters vom Motor ermöglichte mit die tiefe und durchgehende Lage des Fahrerhausbodens. Für alle Fahrzeugvarianten gab es Econic bald auch mit Erdgasantrieb (CNG). Dabei handelte es sich ebenfalls um den Sechszylinder-Reihenmotor mit der Bezeichnung M 906 LAG, analog zu den Dieselmotoren mit gleichfalls 279 PS.

Für die Kraftübertragung an die Hinterachse sorgte serienmäßig das Fünfgang-Allison-Automat-Getriebe WT-MD 3060 P. Als Sonderausstattung konnte für alle Fahrzeugkonfigurationen auch das Fünfgang-Allison-Automat-Getriebe WT-MD 3060 PR mit Retarder bestellt werden.

MEHR STABILITÄT UND BEWEGLICHKEIT

In den Mercedes-Benz Econic wurde die Faustvorderachse VL4 eingebaut, die eine zulässige Achslast von 7,5 Tonnen ermöglichte. Scheibenbremsen kamen serienmäßig zum Einsatz und der Radeinschlagwinkel von 46 Grad ermöglichte in Abhängigkeit vom Radstand einen relativ kleinen Fahrzeugwendekreis. Die luftgefederte Vorderachse war mit einem Stabilisator ausgerüstet, der die Funktion von Achsführung und Stabilisation vereinte und die Wankneigung des Fahrzeugs in Verbindung mit dem breiten Federbalgspurmaß reduzierte. Bei allen Econic-Fahrzeugen wurde die zweistufige Außenplaneten-Hinterachse HL7 verwendet, serienmäßig mit Scheibenbremsen und Differenzialsperre. Die für eine zulässige Achslast von 11,5 Tonnen ausgelegte Achse verfügte über ein Auflastpotenzial von bis zu maximal 13 Tonnen.

Später war der Econic auch mit dem neuen 7,2-Liter-Reihensechszylinder der Baureihe 900 lieferbar, der es auf 326 PS brachte. Im Herbst 2004 wurde ein modellgepflegter Econic vorgestellt, der bei Dieselmotorisierung grundsätzlich mit 200-Liter-Aluminiumtank geliefert wurde. In vielen Punkten wurde das Interieur erneuert. An die Stelle der Sitzbank traten einzelne Sitzschalen mit Kopfstützen. Es gab einen neuen, besonders rutschfesten Bodenbelag sowie oberhalb des Fahrerplatzes vier zusätzliche Einbauräume für DIN-Geräte.

Im Jahr 2008 stellte das Werk den Econic nicht nur als Sattelzugmaschine vor, die vom Gasmotor M 906 LAG befeuert wurde, sondern präsentierte auch eine Konzeptstudie namens Econic NGT Hybrid, die Erdgasantrieb und Hybrid zusammenspannte.