1996 - 2006

MERCEDES-BENZ VARIO

1996 - 2006

Der Vario lief zwar als Großtransporter, war aber in klassischer Lkw-Bauweise mit Leiterrahmen entstanden. 1996 bewies der neue Vario mit zulässigen Gesamtgewichten von 4.800 bis 7.490 kg das Potenzial, das Mercedes-Benz in diesem Gewichtssegment in Europa sah. Die Vielzahl seiner lieferbaren Radstände und Tonnagen machten ihn für den Kunden zu einem Werkzeug nach Maß.

KUNDENFREUNDLICH IM ALLTAGSEINSATZ

Im Alltagseinsatz bewies der Vario durch verschiedene Eigenschaften ein hohes Maß an Kundenfreundlichkeit: Großes Ladevolumen, niedrige Ladehöhe, bequemer Ein-, Aus- und Durchstieg erleichterten den Anwendern die Arbeit. Komfortable Sitze und eine freundliche Aufmachung des Interieurs steigerten das Wohlgefühl des Fahrers. Auch die unsichtbaren Stärken des Vario konnten sich sehen lassen. Schließlich waren unter dem größtenteils vom Vorgänger T2 bekannten Blechkleid – äußerlich war der Vario an seinem neuen Kühlergrill sowie den seitlich herumgezogenen Scheinwerfern und Blinkern zu erkennen – gut zwei Drittel der Teile neu oder überarbeitet. So sorgten zwei moderne Euro-2-Dieselmotoren für mehr Leistung, Sparsamkeit und Umweltfreundlichkeit. Beide mussten nur noch alle 45.000 km zur Inspektion. Die bisher übliche erste Durchsicht entfiel. Ein Ölwechsel alle 22.500 km war nur beim kleineren 2,9-Liter-Motor notwendig. Spezielle Nutzfahrzeuggetriebe sorgten für relativ niedrige Drehzahlen, was dem Kraftstoffverbrauch und der Geräuschentwicklung zugutekam. Hiervon profitierten die alltägliche Wirtschaftlichkeit und die Lebenszykluskosten. Eine umfangreiche Serienausstattung mit vier Scheibenbremsen, Servolenkung, Schiebetür rechts und zweiflügeliger Hecktür mit Öffnungswinkeln von 270 Grad unterstrichen das günstige Preis-Leistungs-Verhältnis. Radstände zwischen 3.150 und 4.250 Millimetern für die Kastenwagen ließen kaum Wünsche offen und machten den Vario zu einem echten Partner für Profis. Der neue Großtransporter bot gegenüber seinem Vorgänger eine höhere Leistung, ein größeres Raumangebot, eine erhöhte Umweltfreundlichkeit und geringere Betriebs- und Wartungskosten – insgesamt realisierte er ein erheblich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.

DIREKTEINSPRITZER-DIESELMOTOREN MIT VIEL LEISTUNG UND DREHMOMENT

Im Vario wurden zwei ladeluftgekühlte Direkteinspritzer-Dieselmotoren mit 2,9 Liter und 4,2 Liter Hubraum eingesetzt, die bereits bei niedrigen Drehzahlen viel Leistung und Drehmoment boten. Beide Motoren wurden vollelektronisch geregelt, das Gaspedal übermittelte seinen Befehl nicht mechanisch, sondern elektronisch. Rangiermanöver konnten ohne Betätigen des Gaspedals allein mit der Kupplung absolviert werden. Darüber hinaus sorgte die Motorelektronik durch ihre präzise Kraftstoffzufuhr für geringen Verbrauch und niedrige Emissionswerte. Selbstverständlich erfüllte der Vario mit beiden Motoren die seit 1. Oktober 1996 gültige Norm Euro 2 und die EU-Geräuschgrenzwerte (Erga Noise). Die Typenbezeichnungen der Fahrzeuge lauteten 512 D bis 814 D, wobei die erste Ziffer für das zulässige Gesamtgewicht steht – hier also fünf beziehungsweise acht Tonnen gerundet – und die folgenden beiden Ziffern auf die jeweilige Leistung hinweisen – 122 PS und 136 PS.

Der 2,9-Liter-Diesel mit Direkteinspritzung und Ladeluftkühlung (OM 602 LA) hatte sich bereits im kleineren Bruder des Vario bewährt, dem Sprinter. Der Fünfzylinder mit einer Nennleistung von 122 PS bei 3.800/min und einem maximalen Drehmoment von 280 Nm bei 2.000–2.300/min überzeugte durch hohes Drehmoment, Wirtschaftlichkeit sowie geringe Geräusch- und Schadstoffemissionen. Die Versorgung mit Dieselkraftstoff übernahm eine Verteilereinspritzpumpe. Der Motor überzeugte ebenfalls durch hohe Laufkultur und geringe Geräuschentwicklung.

Darüber rangierte der 4,25-Liter-Diesel mit Direkteinspritzung und Ladeluftkühlung (OM 904 LA). Er hatte seine Premiere Anfang 1996 in leichten Lkw gefeiert. Dieser neu entwickelte Vierzylinder leistete 136 PS bei 2.300/min und entwickelte 520 Nm Drehmoment bei 1.400/min. Dieses Aggregat mit Lkw-Charakteristik erfüllte hohe Ansprüche an Fahrleistung, Wirtschaftlichkeit und Dauerhaltbarkeit. Mit Dreiventiltechnik und elektronisch gesteuertem Steckpumpe-Leitung-Düse-Einspritzsystem verfügte der direkteinspritzende Vierzylinder über eine Technologie, wie sie auch den neuen Schwer-Lkw Actros antrieb.

Beide Motoren waren serienmäßig mit einem Fünfgang-Schaltgetriebe verbunden. Für den Motor mit 4,25 Liter Hubraum gab es auf Wunsch ein Sechsganggetriebe. Als weitere Alternative konnte in diesen stärkeren Vario ein vollautomatisches Getriebe eingebaut werden.

SICHERHEIT GEHT VOR

Einen Beitrag zur aktiven Sicherheit leisteten die innenbelüfteten Scheibenbremsen an allen vier Rädern: Mit ihnen konnte man selbst aus hohen Geschwindigkeiten und bei voller Beladung stets sehr nachhaltig verzögern. Serienmäßig war eine hydraulische Zweikreisbremsanlage mit Unterdruckunterstützung, ab dem Typ 612 D war als Sonderausstattung eine druckluftbetätigte hydraulische Bremsanlage erhältlich. Die Feststellbremse war beim Vario – bis auf den 512 D – als Druckluft-Federspeicher-Bremse ausgeführt, auf Wunsch gab es eine Haltestellenbremse.

Für alle Vario mit 4,25-Liter-Motor war als Sonderausstattung eine Motorbremse erhältlich. Sie arbeitete mithilfe einer Drosselklappe im Auspuffkrümmer. Die Motorbremse wurde über einen Druckknopf im Fußboden vor dem Fahrersitz aktiviert. Als Sonderausstattung konnte sie auch gemeinsam mit der Betriebsbremse über das Bremspedal bedient werden. Ein Kippschalter regelte die Koppelung mit der Betriebsbremse. Die Bremswirkung konnte noch weiter gesteigert werden durch die Kombination von Motorbremse und der vom Schwer-Lkw bekannten und bewährten Konstantdrossel. Alternativ oder zusätzlich war als verschleißloser Retarder die Wirbelstrombremse der französischen Firma Telma lieferbar. Sie sorgte für mehr Sicherheit bei Bergabfahrten und gestattete eine höhere Transportgeschwindigkeit.

Die Lenkbefehle des Fahrers übertrug eine neu entwickelte Servolenkung. Wer den ohnehin hohen Federungskomfort noch verbessern mochte, konnte als Sonderausstattung eine Luftfederung an der Hinterachse bestellen (außer 512 D).

NEUERUNGEN AUCH IN DESIGN UND KOMFORT

Äußerlich unterschied sich der Vario von seinem Vorgänger durch das neu gestaltete Kühlergitter mit integriertem Mercedes-Stern sowie durch moderne und besonders leistungsfähige Scheinwerfer und Blinker in attraktivem Design. Im Innern war er auf leichte Bedienbarkeit und ausgeprägte Übersichtlichkeit ausgelegt. Dies ist bei einem Transporter besonders wichtig, da er oft von wechselnden Personen bewegt wird, die möglichst rasch mit dem Fahrzeug vertraut werden müssen. Die hohe Sitzposition, große Fensterflächen und die übersichtliche Karosserie ermöglichten eine gute Rundumsicht. Die neuen großen Außenspiegel gestatteten ein großes Blickfeld und waren serienmäßig beheizbar, auf Wunsch elektrisch verstellbar. Ein neu gestaltetes Kombiinstrument mit Fahrtenschreiber in Zwei-Fahrer-Ausführung, Analoguhr, Drehzahlmesser und weiteren Anzeigeinstrumenten informierte den Fahrer über alle relevanten Fahr- und Betriebszustände.

Die neu entwickelten Sitze waren anatomisch geformt und ihre Seitenwülste gaben sicheren Halt in Kurven. Alle Sitze waren mit atmungsaktivem, strapazierfähigem Stoff bezogen. Der Fahrersitz ließ sich in Höhe, Längsrichtung und Lehnenneigung verstellen. Auf Wunsch waren verschiedene Komfortsitze für Fahrer und Beifahrer verfügbar, darunter ein Schwingsitz mit zusätzlich regelbarer Belastungseinstellung und mit Lendenwirbelunterstützung. Besonderen Wert wurde auf das Thema Sicherheit gelegt: Alle Sitze waren mit automatischen Sicherheitsgurten und höhenverstellbaren Kopfstützen ausgestattet. Die niedrige Rahmenhöhe des Transporters und der für Kurzhauber typische geräumige Einstieg hinter der Vorderachse erleichterten das Ein- und Aussteigen. Auf Wunsch konnte beim Vario Kastenwagen die serienmäßige Trennwand wegfallen. Dadurch bestand die Möglichkeit, direkt vom Fahrerplatz in den Laderaum durchzusteigen.

VARIO-VARIANTENVIELFALT

So vielschichtig wie die Transportaufgaben des Vario war auch die Zahl der ab Werk lieferbaren Varianten. Die drei Gewichtsvarianten des Vario mit 4,8 Tonnen, 5,99 Tonnen und 7,49 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht waren in den vom Vorgänger T2 her bekannten Radständen 3.150, 3.700 und 4.250 Millimeter lieferbar.

Der für den Verteilerverkehr zumeist verwendete Kastenwagen war mit Normal- und Hochdach lieferbar. Die kubische Grundform des Kastenaufbaus garantierte eine gute Nutzung des verfügbaren Volumens. Die Oberkanten der Radkästen waren beispielsweise eben geformt, damit Transportgüter auf ihnen gestapelt werden konnten. Die Stehhöhe im Laderaum mit Normaldach betrug 1.785 Millimeter, beim Hochdach 1.940 Millimeter. Das maximale Volumen beim längsten Radstand und dem dort serienmäßigen Hochdach betrug 17,4 Kubikmeter. Der Laderaumboden bestand aus wasserfest verleimtem, formbeständigem Sperrholz. Eine seitliche rechte Schiebetür mit einer lichten Weite von 1.095 Millimetern und eine zweiflügelige Drehtür am Heck mit 270 Grad Öffnungswinkel waren beim Vario Serie. Eine vollverglaste Ausführung für Aufbauhersteller mit Radstand 4.250 Millimeter war serienmäßig mit Hochdach lieferbar.

Als Pritschenwagen war der Vario mit allen vier Radständen (3.150, 3.700, 4.250 und 4.800 Millimeter) und zwei Fahrerhausvarianten (Einfach- und Doppelkabine) lieferbar. Beim Kipper standen zwei Radstände (3.150 und 3.700 Millimeter) und zwei Fahrerhäuser zur Wahl. Der Unterbau der palettengerechten Pritsche der Firma Kögel bestand aus einer Leichtbau-Stahlkonstruktion, die Seitenwände aus Aluminium. Der Boden der maximal 14,7 Quadratmeter großen Ladefläche bestand aus wasserfest verleimtem Holz mit rutsch- und abriebfester Siebdruckoberfläche mit Verzurrösen. Auf Sonderwunsch waren ein Planengestell und eine Ladebordwand verfügbar. Der Vario mit Meiller-Dreiseitenkipper verfügte über ein drei Millimeter starkes Bodenblech und 350 Millimeter hohe seitliche Bordwände.

Mit Kofferaufbauten der Firma Kögel war der Vario in zehn verschiedenen Varianten lieferbar. Der Vorteil des Koffers bestand in dem großen Volumen bis 31 Kubikmeter. Der Kofferaufbau war als Standard/Trockenfrachtkoffer, als Isolierkoffer sowie als Kühlkoffer in den drei Radständen 3.700, 4.250 und 4.800 Millimeter lieferbar. Als Sonderausstattung konnte für alle Kofferaufbauten eine Ladebordwand bestellt werden.

Ferner war ein Integralkoffer lieferbar, der mit dem Fahrerhaus durch einen Zugang verbunden war. Transparente Deckeneinsätze sorgten hier für ausreichend Tageslicht. Das Innere dieses für Frachtzustelldienste gedachten Fahrzeugs konnte mit ein- oder zweireihigen Regalen ausgestattet werden. Seitlich rechts war eine Schiebetür, hinten eine zweiflügelige Drehtür.

Kurz nach der Vorstellung des Vario präsentierte Mercedes-Benz den Großtransporter auch mit Allradantrieb (814 DA). Er war in zwei verschiedenen Radständen (3.150 oder 3.700 Millimeter) sowie mit Kipper-, Pritschen-, Kasten- oder Kofferaufbauten bei jeweils zulässigem Gesamtgewicht von 7,49 Tonnen erhältlich. Der Transporter wurde vom Vierzylinder OM 904 LA mit 4,25 Liter Hubraum und 136 PS angetrieben.

Der Vario 814 DA erhielt ein Mercedes-Benz-Verteilergetriebe. Mit ihm wurde in allen Fahrgängen zusätzlich zur Hinterachse auch die Vorderachse angetrieben, die in verschiedenen Übersetzungen erhältlich war. Die Drehmomentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse betrug 1:1,62. Das Verteilergetriebe bewirkte eine deutlich gesteigerte Zugkraft in der Geländeübersetzung und eine wirtschaftlichere Fahrweise im Straßengang (Auswahl über Kippschalter). Die Kreuzgelenke der Allradachsen waren die Ursache dafür, dass sich der Wendekreis des 4x4-Vario gegenüber einem normalen Vario mit gleichem Radstand vergrößerte. Beim Radstand 3.700 Millimeter beispielsweise erhöhte er sich von 13,40 Meter auf 14,70 Meter. Die für den Geländeeinsatz erforderliche höhere Bodenfreiheit und größere Böschungswinkel vorne und hinten wurden durch größere Reifen erreicht. Im Unterschied zum 4x2-Fahrzeug wurden beim 814 DA an der Hinterachse Trommelbremsen installiert. Serienmäßig war beim Allrad-Vario neben der Differenzialsperre an der Hinterachse eine hydraulische Zweikreisbremse mit Druckluftunterstützung.

MEHRFACHE WEITERENTWICKLUNG IN SEINER KARRIERE

Im Zuge seiner Karriere wurde der Vario mehrfach weiterentwickelt. So erreichte er durch Auf- und Ablastungen schnell eine Spanne zwischen 4,8 und 8,2 Tonnen Gesamtgewicht. Ab 1998 erhielten alle Modelle ABS, änderte sich die Leistung der stärksten Maschine auf 152 PS. Ab Herbst 2000 war er mit Motoren nach Abgasstandard Euro 3 verfügbar, war der kompakte Fünfzylinder entfallen und durch eine Variante mit 115 PS des großen Vierzylinders abgelöst worden. Zwei Jahre später staffelte sich das Leistungsangebot neu mit Motoren von 136 PS, 150 PS und 177 PS. Das stärkste Aggregat war serienmäßig mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe verbunden.

Einen weiteren Innovationsschub erfuhr der Vario zur IAA Nutzfahrzeuge 2006: Zu diesem Zeitpunkt erhielt er Bluetec-Dieselmotoren mit SCR-Technik zur Erfüllung des Abgasstandards Euro 4, später auch Euro 5. Die Motoren leisteten nun 129 PS, 156 PS und 177 PS. Alle Vario verfügten nun serienmäßig über ein Sechsgang-Schaltgetriebe. Wahlweise war jetzt für alle Leistungsstufen eine Fünfgang-Wandlerautomatik zu bekommen. Neue Verkleidungen werteten das Innere der Fahrerkabine auf.

Abzutreten hatte der Vario dann mit Euro 6. Die Produktion des Klassikers, der – den T2-Vorläufer eingerechnet – sich insgesamt immerhin 28 Jahre behaupten konnte, wurde 2013 eingestellt, der Vertrieb erlosch im Jahr 2014.