MERCEDES-BENZ ACTROS (2011)
Weltmotoren in Euro 5 und 6 sowie neue Kabinen und Fahrwerkstechnik: Beim neuen Actros von 2011 schöpft Mercedes-Benz aus dem Vollen. Beispiel Fahrerhausprogramm: Zwei Aufsatzhöhen sowie zwei Breiten und diverse Dächer – daraus zaubert Mercedes insgesamt sieben Kabinenvarianten, die allesamt geradewegs für den Fernverkehr konzipiert sind. Damit bietet der neue Actros insgesamt drei Varianten mehr, als es das Programm der Reihen Actros 3 und Axor konnte. 2018 spendierte Daimler dem Actros ein Facelift und ein komplett neues Cockpit.
KABINE DER SUPERLATIVE
Glattflächig wie kein anderer Lkw fährt der neue Actros vor. Und obwohl die neue Kabine höher ist als die alte und das Design obendrein hohen Wuchs betont, fällt der Einstieg doch nicht höher aus als beim bisherigen Megaspace-Fahrerhaus. So bleibt es selbst für das besonders hohe Gigaspace-Fahrerhaus bei den bekannten vier Stufen, über die es die Kabine zu entern gilt. Was den Fahrer aber innendrin in der neuen Paradekabine erwartet, hat gar nichts mehr mit der Möblierung des Actros 3 zu tun.
Stolze 11,6 Kubikmeter gibt Mercedes zum Beispiel als das Raummaß an, das dem Fahrer dort zur Verfügung steht. Es ist eine Kabine der Superlative: Auf 2,13 Meter Stehhöhe kann sich der Pilot rekeln, fast 1000 Liter Stauraum stehen ihm zu Gebote. Was aber noch mehr verblüfft als das äußerst üppige Angebot an Raum wie Stauraum, das ist der asymmetrische Schnitt und die kühne Innenausstattung des neuen Fahrerhauses. Wie angegossen zieht sich das Cockpit in elegantem Schwung um den Fahrer herum und zeigt sofort eines: Hier wurde eine Kabine kompromisslos für den Fernverkehr ausgelegt.
Vornehme Anthrazittöne beherrschen das Ambiente in dem Bereich, der als Arbeitsplatz definiert ist. Extrem matt schimmern die Materialien, die dieses Mal nichts mehr mit der Ausstattung der noblen S-Klasse-Limousinen aus dem gleichen Haus zu tun haben. „Das ist vorbei“, sagt Designchef Kai Sieber, „wir haben jetzt neue und ganz Lkw-spezifische Oberflächen entwickelt, die äußerst kratzfest und besonders leicht zu pflegen sind.“
In denkbar großem Gegensatz zur Beplankung um den Fahrer herum stehen die mandelfarbenen Beigetöne des Wohnbereichs, der als die bessere Hälfte des Arbeitsplatzes mit großzügigstem Layout zum Verweilen einlädt. Es verjüngen sich zum Beispiel die Schränke unter der Stirn nach rechts hin, auf dass der Fahrer beim Umziehen nirgends aneckt.
Hinterm Volant nimmt der Fahrer Platz auf einem um 40 Millimeter verbreiterten und in seinen Verstellmöglichkeiten (längs und hoch) verbesserten Sitz.
NEUE LOGIK BEI DER BEDIENUNG
Ist der Motor per Start-/Stopp-Knopf auf Trab gebracht, schlagen die Zeiger von Tacho und Drehzahlmesser erst einmal zackig nach rechts aus und signalisieren damit Betriebsbereitschaft. Die Rundinstrumente sitzen in zwei asymmetrisch geschnittenen Tuben, die ihrerseits an den Querschnitt von dicken Auspuffrohren erinnern. Zwischen den beiden thront ein großes Zentraldisplay, dessen Menüführung nun nichts Kryptisches mehr hat, sondern aufs Vorteilhafteste der Logik moderner Digitalkameras abgeschaut ist. Bedient wird das Ganze über die linke Lenkradtaste, die zudem auch fürs Radio zuständig ist.
Im Schlafabteil erwarten den Fahrer elf Zentimeter starke und siebenzonig ausgeführte Kaltschaummatratzen. 2,2 Meter messen die Betten in der Länge (breites Haus) und 750 Millimeter in der Breite. Soll der Beifahrer aber oben schlafen, dann empfiehlt sich die 600 Millimeter breite Variante: Die erst macht es möglich, dass sich Fahrer und oberes Bett nicht ins Gehege kommen.
INNOVATIVE MOTOREN FÜR DEN ACTROS UND DIE GANZE WELT
BlueEfficiency Power heißt das Stichwort für die neuen Motoren im neuen Mercedes-Benz Actros – Sauberkeit und Kraft. Aus 12,9 Liter Hubraum leisten die Reihensechszylinder in vier Stufen 310 kW (421 PS) und 375 kW (510 PS) mit Drehmomenten zwischen 2.100 und 2.500 Nm. Die Nenndrehzahl beläuft sich auf 1.800 U/min, das maximale Drehmoment steht bereits bei 1.100 U/min an. Doch diese Zahlen sind nur Anhaltspunkte: Schon bei 1.400 Umdrehungen erreichen die Motoren annähernd 100 Prozent ihrer vollen Leistung, hohes Drehmoment steht bereits bei 800 bis 900 U/min zur Verfügung.
Zwei gebaute, oben liegende Nockenwellen mit Rädertrieb und vier Ventilen pro Zylinder sind nur einige von vielen Stichworten. Herausragend ist die einzigartige Kraftstoff-Einspritzung auf Basis eines Common-Rail-Systems mit Druckverstärkung. Im Rail wird ein Druck von rund 900 bar erzeugt. Er wird in den einzelnen Injektoren auf bis zu 2.100 bar verstärkt. Einspritzzeitpunkt und -menge sind ebenso variabel wie Einspritzdruck und der Druckverlauf. Ebenso innovativ ist die Aufladung der Motoren über einen Abgasturbolader mit asymmetrischem Turbinengehäuse. Dieses Verfahren verbessert das Ansprechverhalten.
Die neuen Motoren erreichen eine Laufleistung von mindestens 1,2 Millionen Kilometern ohne Überholung. Ebenso üppig sind die Wartungsintervalle: Je nach Einsatz vergehen zwischen den Ölwechseln bis zu 150.000 Kilometer. Auch auf dem amerikanischen und asiatischen Kontinent ist der Motor im Einsatz, dann aber unter dem Blech der dortigen Marken von Daimler Trucks.
FRÜHER ALS GEFORDERT: EURO 6,
Ein Meilenstein in der Entwicklung bedeutet die effiziente Abgasreinigung: Der neue Actros entspricht bereits der seinerzeit kommenden Norm Euro 6, die erst 2014 verbindlich wird. Der neue Actros kombiniert SCR-Technik mit Adblue-Einspritzung, Abgasrückführung und Partikelfilter – der Auspufftopf mutiert zu einem Chemiewerk für die Abgasreinigung. Wahlweise ist der neue Actros anno 2011 aber ebenfalls noch in einer Ausführung der aktuellen Abgasstufe Euro 5 lieferbar.
Beim per Lenkstockhebel geschalteten Getriebe Powershift 3 ist Folgendes geboten: Passend zum Einsatz sind drei Fahrprogramme wählbar, Standard, Economy und Power. Eine Kriechfunktion wie bei einer Automatik hilft beim Rangieren, ein Freischaukel-Modus auf glattem Untergrund. Der EcoRoll-Modus schaltet bei passender Gelegenheit selbstständig in den Leerlauf und legt später automatisch den richtigen Gang ein – damit lassen sich Rollphasen kraftstoffsparend nutzen.
ACTROS - LKW NACH MAß
Mit fünf unterschiedlichen Achsübersetzungen lässt sich der neue Actros für seinen Einsatz individualisieren. Je nach Aufbau, Gewicht und Topografie der typischen Strecken entpuppt sich der neue Actros damit als Lkw nach Maß. Die elastischen Motoren erlauben lange Übersetzungen: Mit der Serienachse rollt der neue Actros beim Autobahntempo von 85 km/h mit nur 1.260 U/min dahin – eine Voraussetzungen für niedrigen Kraftstoffverbrauch.
Neu ist auch eine besonders wirkungsvolle dreistufige Motorbremse. Sie leistet bis zu 400 kW (544 PS) – mehr als der Motor. Nochmals stärker ist als weitere Zusatzbremse ein Retarder: Er erreicht eine besonders hohe Bremsleistung von maximal 750 kW (1.020 PS). Im Dienste höchster Sicherheit stehen für den neuen Actros zudem vielfältige Assistenzsysteme zur Verfügung. Der Abstandsregel-Assistent hält einen vorgegebenen Sicherheitsabstand konstant und passt die Geschwindigkeit an. Mit der neuen Stop-and-go-Funktion regelt er jetzt sogar das Anfahren und Anhalten im Stau. Der Spurhalte-Assistent warnt rechtzeitig, falls der Lkw wegen einer Unaufmerksamkeit die Fahrbahn zu verlassen droht. Der serienmäßige Stabilitätsregel-Assistent entspricht einem ESP für Lkw. Seine Entwicklung bedeutete angesichts von Fahrzeugkombinationen aus Sattelzugmaschine und Auflieger und der großen Differenz von rund 25 Tonnen zwischen Leergewicht und zulässigem Gesamtgewicht eine große Herausforderung. Der Active Brake Assist oder Notbrems-Assistent leitet bei Gefahr sogar selbstständig eine Vollbremsung ein.
Schon 2015 kommt der OM 471 in überarbeiteter Version: Die Ingenieure haben das Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen gesteigert und mit einer neuen Spitzenmotorisierung das Angebot auf nunmehr fünf Leistungsstufen ausgebaut, deren höchste 530 PS oder 390 kW lautet. Die Grundleistungsvarianten mit 310, 330 und 350 kW werden durch drei sogenannte „Top Torque“-Ausführungen ergänzt. Bei diesen Motoren wird im Lkw-Einsatz im höchsten Gang des automatisierten Getriebes Mercedes PowerShift 3 bei Bedarf ein um 200 Nm höheres Drehmoment freigegeben. Diese Strategie verringert die Schalthäufigkeit und steigert die Transportgeschwindigkeit ohne Nachteile beim Kraftstoffverbrauch.
SATTER SCHUB AUS DEM DREHZAHLKELLER
Wesentlicher Bestandteil der neuen Motorengeneration ist die neueste Generation des Einspritzsystems X-Pulse, des einzigartigen Common-Rail-Systems mit Druckverstärkung im Injektor und freier Modellierbarkeit des Einspritzsystems. Der maximale Raildruck wurde von 900 auf 1.160 bar erhöht, was zu einem maximalen Einspritzdruck von 2.700 bar führt.
Bei der Einspritzdüse handelt es sich um eine Achtloch-Düse (bisher sieben Löcher), damit erhöht sich der maximale Durchfluss um rund zehn Prozent.
Neu sind außerdem die Geometrie der Kolbenmulden, das von 17,3:1 auf 18,3:1 deutlich angehobene Verdichtungsverhältnis sowie eine reduzierte Rate der Abgasrückführung (AGR-Rate). Da der Motor konsequent auf niedrigen Kraftstoffverbrauch ausgelegt ist, steigen im Gegenzug die NOx-Rohemissionen an. Dem wirkt die SCR-Technik mit einem neuartigen und effizienten SCR-Katalysator entgegen. Der Verbrauch von Adblue liegt deshalb mit etwa fünf Prozent vom Kraftstoffverbrauch auf der Höhe der früheren Euro-5-Motoren.
Nicht nur die neue stärkste Ausführung, auch alle anderen Leistungsvarianten des OM 471 profitieren von der neuen Einspritzung. Zwar bleiben die Maximalwerte von Leistung und Drehmoment der Motoren nominell unverändert, jedoch steigen Leistungs- und Drehmomentkurven im untersten Drehzahlbereich erheblich stärker an und verleihen den Motoren damit eine neue Charakteristik. In allen Leistungsstufen erreichen die Triebwerke jetzt bereits bei knapp unter 800 U/min ein Drehmoment von mindestens 2.000 Nm. Je nach Leistungsstufe wird das Drehmomentmaximum nun schon annähernd zwischen etwa 800 und 950 U/min erreicht.
AUFSTIEG UM EINE LEISTUNGSKLASSE
Ähnlich vorteilhaft sind deshalb auch die Leistungskurven der neuen Motoren ausgeprägt. Die Nenndrehzahl beträgt jetzt 1.600 U/min, doch auch beim bisherigen Wert von 1.800 U/min liegt die Leistung nur ein Prozent unterhalb des Maximums. Je nach Leistungsvariante werden 95 Prozent des Leistungsmaximums bereits bei etwa 1.300 bis 1.400 U/min erreicht. Das bedeutet in der Praxis eine hervorragende Fahrbarkeit unter allen denkbaren Bedingungen in einem extrem breiten nutzbaren Drehzahlband von etwa 1.000 U/min. Speziell bei niedrigen Drehzahlen sind die ohnehin kraftvollen Motoren jetzt mindestens eine Leistungsklasse höher als bisher einzustufen.
Mercedes-Benz nutzt diese neue Charakteristik zudem für eine längere Standardübersetzung der Hinterachse. Eine Übersetzung von i = 2,533 statt bisher i = 2,611 bedeutet eine Senkung des Drehzahlniveaus um drei Prozent. Daraus resultiert bei Bereifung 315/70 R 22,5 eine Drehzahl von nur rund 1.150 U/min bei einer Geschwindigkeit von 85 km/h.
ASYMMETRIEN IM MOTOR
Zu den Besonderheiten des Motors OM 471 gehört von Beginn an sein asymmetrischer Turbolader. Er wurde von Mercedes-Benz entwickelt und wird im Motorenwerk Mannheim hergestellt. Er verfügt wie zuvor über eine feste Turbinengeometrie. Technisch ist diese Variante weit weniger komplex als ein Turbolader mit variabler Turbinengeometrie. Zum schnellen Aufbau des Ladedrucks mit entsprechend flottem Anstieg von Leistung und Drehmoment werden die Abgase der Zylinder vier bis sechs ohne Umweg direkt in die Turbine geleitet. Von den Abgasen der Zylinder eins bis drei wird dagegen eine definierte Abgasmenge für die Abgasrückführung abgezweigt. Sie dient der Senkung der NOx-Emissionen.
Diese Lösung wurde im Prinzip beibehalten, jedoch im Detail entscheidend weiterentwickelt. Anstelle der bisherigen AGR-Klappe im AGR-Pfad gibt es nun eine weit nach vorn verlegte AGR-Klappe im Abgaskrümmer, deutlich vor dem Eintritt des Abgases in den Turbolader. War die Verteilung der Abgase zwischen Abgaskrümmer und Turbolader bisher unter anderem von der Form des Krümmers und der Geometrie des asymmetrischen Turboladers abhängig, so ist die Verteilung jetzt stufenlos und sehr präzise im gesamten Bereich des Motorkennfelds regulierbar.
Daraus resultieren ein wirkungsvolles Thermomanagement und eine generell geringere AGR-Rate mit Vorteilen für den Kraftstoffverbrauch. Sowohl die AGR-Rate als auch die Abgasflut zum Turbolader lassen sich aufgrund der neuen Position der Klappe entsprechend den Betriebskennlinien des Motors steuern. Eine Erfassung der Abgasrückführung durch einen Sensor im Venturi-Rohr (dem Bypass der Abgasrückführung) sowie eine nachgelagerte AGR-Regelung ist daher nicht mehr erforderlich. Die stufenlos steuerbare AGR-Klappe in ihrer neuen Position eröffnet darüber hinaus eine neue Bandbreite der Asymmetrie: Ganz nach Bedarf können die Abgase der drei Spenderzylinder zwischen null und 100 Prozent der Verbrennung zugeführt werden. Die AGR-Klappe steuert damit nicht nur den Abgasstrom zur Abgasrückführung, sondern auch den Turbolader.
Ebenfalls neu ist die asymmetrische Einspritzung. Im normalen Fahrbetrieb werden die Injektoren aller sechs Zylinder des OM 471 mit der identischen Menge Kraftstoff versorgt. Ist bei geringer Last eine Regeneration des Diesel-Partikelfilters erforderlich, wird zur Anhebung der Abgastemperatur eine hohe AGR-Rate bis in den Bereich von 50 Prozent eingestellt. Um in diesem Fall eine unvollständige Verbrennung mit einem entsprechend höheren Anteil von Rußpartikeln im Abgas zu verhindern, wird die Kraftstoffmenge in den Zylindern eins bis drei bei einer Steigerung der AGR-Rate gleichzeitig stufenlos zurückgenommen und parallel dazu in den Zylindern vier bis sechs erhöht.

- 2011 Fahrbericht Powershift-Getriebe 5 MB
- 2016 Test Actros 1853 1 MB
- 2013 Test Actros 1843 1 MB
- 2016 Actros-Konzeptvergleich 2 MB
- 2016 Test Actros 1845 Stream Space 1 MB
- 2015 Fahrbericht Actros 1853 und 1845 2 MB
- 05_Test-MB-Actros-1863 977 KB
- 07_FB-MB-Actros 849 KB
- 09_MB_Actros_Getriebe 590 KB
- 34_Actros-Kabine-Nachlese 893 KB
- 41_FB-MB-Actros 686 KB
- 27_Truck-of-the-Year 654 KB
- 05_FB-MB-Actros 815 KB
- 05_Test-MB-Actros-1845 1 MB
- 04_Test_Mercedes-Actros-1860 1 MB