SCHWERE KLASSE (SK)
„Schwere Klasse“ (SK) nannte das Werk dann die im Jahr 1988 wiederum gründlich aufgefrischte Armada, die erst im Jahr 1996 dem neuen Mercedes Actros wich. Der Einführung der Schweren Klasse waren veränderte Zulassungsbestimmungen vorausgegangen, die höhere Gesamtgewichte möglich machten.
Zweiachser bekamen statt maximal 16 nun 17 Tonnen zugesprochen, Dreiachser statt 22 jetzt 24 Tonnen, Vierachser konnten sich nun auch eines Gesamtgewichts von 32 statt bisher 30 Tonnen erfreuen, was zu deutlich erhöhter Konjunktur bei diesem Fahrzeugtyp führte. So kam es, dass die SK-Lkw mit neuen Typenbezeichnungen in beiden Segmenten des Kürzels an den Start gingen. Eine „17“ prangte bei Zweiachsern stets in der ersten Hälfte der Bezeichnung, die zweite Hälfte zeigte an, was mit den Motoren passiert war.
Die Ziffern 26, 29, 33, 35 sowie 48 erläuterten dort, wie’s um die Leistung der neuen Mercedes-Lkw bestellt war. Speziell auf den Einsatz in Volumenfahrzeugen hin war ein neuer V6-Motor entwickelt worden, der die bekannte Größe von 330 PS nun statt des V8 für sich reklamierte. Nur knapp einen Meter lang und gerade mal 720 Kilogramm schwer, passte diese Maschine auch unter die kurzen Kabinen, ohne hinten rauszulugen und dort dem Aufbau in die Quere zu kommen. Ideal für jene Volumenzüge, die zu dieser Zeit sehr im Schwange waren.
Dem trugen zum Beispiel die vier Radstände Rechnung, mit denen das Chassis des 1733 lieferbar war: Sie reichten von 4.500 bis 4.500 Millimeter, während sowohl der Pritschenwagen ab Werk als auch die Fahrgestelle der stärkeren SK (vom 35er- bis zum 48er-Zweiachser) ausschließlich mit 4.800 Millimeter Radstand lieferbar waren. Einzig beim 1729 waren zwei Radstände zu haben: 4.800 und 5.500 Millimeter.
Bei den Dreiachsern bot sich das gleiche Bild: Den 2429 (allerdings nur 6x4) gab es in den zwei Radständen 4.775/5.175 Millimeter, während der mit kurzem V6 ausgerüstete 2433 grundsätzlich vier Radstände von 4.525 bis 5.875 Millimetern zur Verfügung hatte. Beim 2435 standen noch 4.775 sowie 5.175 Millimeter zur Wahl, sonst gab es bei den stärkeren Leistungsvarianten in der Regel nur den Radstand 5.175 Millimeter.
SATTELZÜGE VERDRÄNGEN HÄNGERZÜGE
In den 90er-Jahren begann der Niedergang der Hängerzüge, die der Sattelzug als europaweit universelles Transportmittel verdrängte. Die klassische deutsche Fernverkehrskombination aus zweiachsigem Motorwagen und dreiachsigem Anhänger wurde zunehmend seltener. Der für den kombinierten Verkehr benötigte dreiachsige Motorwagen mit Zweiachshänger sowie der Volumentransport sollten im Fernverkehr die letzten Refugien des Hängerzugs werden.
Ideal aber auch, um im Verbund mit einem Rahmen der Mittelklasse eine Sattelzugmaschine wie den 1733 S darzustellen, die rund 300 Kilogramm leichter als zum Beispiel ein 1735 S jener Zeit (mit V8) war. Mit der Bereifung 295/80 R 22,5 erreichte der 1733 S zudem die für damalige Verhältnisse sehr niedrige Rahmenhöhe von 1.010 Millimetern (unbeladen), die in Zeiten gesteigerten Hungers auch nach Sattelzug-Ladevolumen vielen Kunden sehr zupasskam. Im Gegensatz zu den meisten anderen SK-Sattelzugmaschinen bot der 1733 S die Wahl zwischen drei Radständen von 3.200 bis 3.800 Millimetern, während der Standardradstand bei Mercedes zu jener Zeit bei entweder 3.500 oder 3.800 Millimetern lag und bis zum Ende der SK-Reihe auch bleiben sollte. Der für die neuen, 13,6 Meter langen Auflieger heute gängige Radstand für Sattelzugmaschinen (3.600 Millimeter) kam in der Regel erst mit dem Actros.
ANFANG DER 90ER KOMMT DER LOWLINER
Konjunktur bekamen während der ersten Hälfte der 90er-Jahre aber auch sogenannte Megatrailer: Sattelzüge mit 100 Kubikmeter Ladevolumen, deren Aufsattelhöhe beladen tunlichst unter 1.000 Millimetern zu liegen hatte, damit drei Gitterboxen à einen Meter Höhe unters Dach des Aufliegers passten, ohne dass das erlaubte Maximalmaß von vier Meter Höhe überschritten wurde. Die Mercedes-Lösung für den SK lautete „Lowliner“ und bestand aus einer tiefergelegten Sattelzugmaschine mit einer Sattelhöhe von 935 Millimetern in beladenem Zustand. Möglich machten es eine Vorderachsbereifung in der Größe 285/60 R 22,5 (beim 1838 S) oder ab 1838 S bis hinauf zum 1850 S der Größe 305/70 R 22,5 im Verbund mit einer Hinterachsbereifung von stets der Größe 285/60 R 22,5. Die schweizerische Spezialschmiede NAW präparierte den SK für solche Einsätze durch verschiedene Maßnahmen, bevor das Werk Wörth selbst Hand anlegte: Eingezogener Rahmen im Bereich der Hinterachse, eine veränderte Aufhängung der Luftfederung und tief gekröpfte Vorderachse lauten nur drei der vielen Eingriffe, die der SK über sich ergehen lassen musste, bevor er als waschechter Lowliner zum Kunden rollen konnte.
Als weniger extreme Lösung, aber doch hinlänglich volumenorientiertes Angebot gab es beim SK die Sattelzugmaschinen 1838 S, 1844 S sowie 1850 S in nicht ganz so radikal tiefergelegter Fasson aber auch für eine Aufsattelhöhe von 1.030 bis 1.080 Millimetern. Dafür reichte in aller Regel die Bestückung der Zugmaschine mit niedriger Sattelkupplung sowie entsprechend kleinen Reifen wie den Größen 305/70 R 22,5 oder 275/70 R 22,5 vorn und 285/65 R 22,5 oder 275/70 R 22,5 hinten.
KURZE KABINEN SETZEN SICH NICHT DURCH
Kompromisslose Orientierung auf Volumen erforderte auch damals schon unbedingt den Hängerzug, der wegen größerer zugestandener Gesamtlänge bis 120 Kubikmeter Ladevolumen realisieren konnte. Mit kurzer Kabine fuhren solche Züge zu Beginn der 90er-Jahre eben auch zunehmend im Fernverkehr. Ein Topsleeper genannter Aufsatz hielt die Matratze vor, auf der die Fahrer sich zur Ruhe legten. Bequem war die Kletterei da oben rein allerdings nicht, auf beiden Etagen herrschten jeweils beengte Verhältnisse. Ein paar Jahre drauf schob auch der Gesetzgeber diesem Treiben, das teilweise kuriose Formen annahm (manche Fahrer klemmten mehr halb stehend hinterm Volant in ihren ultrakurzen Kabinen, als dass sie während des Lenkens saßen) einen Riegel vor. Er definierte zumindest für den internationalen Fernverkehr, wie groß die Ladelänge maximal sein darf. Mit kurzen Kabinen war dann nichts mehr zu gewinnen, ein guter Fahrer aber womöglich schnell verloren. Auf diese Weise traten solch kurze Konstruktionen wieder in den Hintergrund, womit auch der neue V6 zunehmend wieder an Bedeutung verlor.
Trotzdem illustrierte er trefflich, welche Fortschritte die Motorentechnik seit der Vorstellung des ersten V10 gegen Ende der 60er-Jahre gemacht hatte. Brachte es der 15,9 Liter große 320-PS-Saurier aus früher Zeit zum Beispiel bei einer Motordrehzahl von 1.600 U/min auf eine Leistung von rund 230 PS, so hielt der kleine V6 mit inzwischen knapp elf Liter Hubraum bei gleicher Drehzahl im Jahr 1988 schon mehr als 310 PS in petto.
Achtzylinder in Saugversion blieben weiter im Programm: 260 und 290 PS waren geboten, wobei die 260-PS-Variante schon eher den MK-Typen zuzurechnen war. Generell waren die unter der Bezeichnung OM 422 bekannten V8-Motoren überarbeitet: Dank zwei Millimetern mehr an Bohrung (130 statt 128 Millimetern) wuchst das Hubvolumen der Sauger allgemein von 14,6 auf 15,1 Liter. Die Nenndrehzahl sank um 200 U/min auf 2.100 Touren. Mit einem konstanten maximalen Drehmoment über den weiten Bereich von rund 600 Umdrehungen ähnelten sie nun den aufgeladenen Varianten der neuen Motorenfamilie, die jetzt OM 442 hieß.
Für die schweren Baustellenfahrzeuge brachte das Werk diesen Motor aber erst mit einiger Verzögerung und verfuhr fürs Erste nach dem Motto, dass Hubraum durch nichts zu ersetzen sei. Hauptsächlich für den Export gedacht, befand sich sogar noch (als 1936 K) der schwergewichtige V10 im Programm. Sonst aber bestritten der 290-PS-Sauger sowie der 350-PS-Turbomotor das Bauprogramm bei den Schweren.
Seit 1984 waren für Vierachser 32 statt vordem nur 30 Tonnen Gesamtgewicht erlaubt. Anfangs baute die NAW in der Schweiz diese Fahrzeuge, später wurde die Fertigung nach Wörth verlagert. Gerade in den ersten Jahren des SK erlebten die Vierachser einen großen Aufschwung. Rund 1.500 Einheiten wurden 1989 verkauft. Diese Zahl stieg 1990 bereits auf knapp 2.000 Einheiten. Das Volumenmodell bei den Vierachsern dieser Zeit war der 3535 K: Knapp die Hälfte aller gebauten vierachsigen Baufahrzeuge rollte als 350-PS-Fahrzeug vom Band. Der neue V6 kam um 1991/1992 dann auch im Baufahrzeug und machte somit besonders nutzlaststarke Kipper und Betonmischer möglich.
Bei den aufgeladenen Pendants blieb es bei den alten Werten für Bohrung und Hub (128 x 142 Millimeter). Ihre Leistung legte aber kräftig zu: Sie kletterte im Maximum von 435 auf 480 PS, das maximale Drehmoment erreichte 2.000 Newtonmeter. Zum Vergleich: Der alte V10-Sauger hatte maximal 1.010 Newtonmeter zu bieten. Die gängige Leistungsklasse für den Fernverkehr wurde allerdings der 35er-Mercedes, der es mit Turbo, aber weiterhin ohne Ladeluftkühlung auf 354 PS und ein maximales Drehmoment von 1.600 Newtonmetern brachte.
EURO 1 BEENDET ÄRA DER SAUGMOTOREN IN SCHWEREN LKW
Erst als Euro 1 zum Thema wurde, war die Ära der Saugmotoren im schweren Lkw ein für alle Mal beendet. Anders als per Turboaufladung und Ladeluftkühlung waren die verlangten Grenzwerte nicht ohne katastrophale Folgen für den Verbrauch zu erreichen. Doch gab es bei der Vorstellung der LEV-Motoren für Euro 1 auch eine kleine Überraschung: Tauchte da doch glatt wieder ein V8 mit den alten Maßen für Bohrung und Hub auf und sollte nun mit den altbekannten 12,8 Liter Hubraum künftig die 380-PS-Klasse bestreiten. Ein elektronisches Motorenmanagement per EDC (Electronic Diesel Control) ließ derweil allerdings noch bis 1994 auf sich warten, als Euro 2 zur Debatte stand und es ohne solch dienstbare Digitalgeister nicht mehr ging.
Als weitere Überraschung hielt die SK-Reihe anno 1988 bereits ein neues Getriebe mit neun oder 16 Gangstufen in petto, das von 290 PS an aufwärts die vormals traditionell verbauten ZF-Ecosplit-Getriebe (seit 1983) mit 16 im Doppel-H-Schema zu schaltenden Gängen ersetzte und grundsätzlich mit der Halbautomatik EPS kombiniert wurde. Diese neuen Getriebe unterschieden sich in Stufung und Spreizung kaum vom aus Friedrichshafen (Sitz der ZF) bezogenen Vorgänger, wohl aber beim Gewicht: Günstigere Werte in dieser Hinsicht verdankten sie in erster Linie ihrem Aluminiumgehäuse.
100 Kilogramm weniger als die vorigen Schaltboxen wogen diese neuen, von Mercedes-Benz nun selbst gefertigten Getriebe, die für drei unterschiedlich hohe Eingangsdrehmoment-Klassen gebaut waren: Die schwerste Ausführung trug zum Beispiel die Bezeichnung G 180, eignete sich für maximal 2.000 Newtonmeter Drehmoment und brachte 278 Kilogramm auf die Waage. Aufgebaut war das G 180 aus einem Viergang-Grundgetriebe sowie Vor- und Nachschaltgruppe. Die Neungang-Variante arbeitet mit einem direkten Durchtrieb im höchsten Gang, während das 16-gängige Pendant mit einem ins Schnelle übersetzten höchsten Gang (0,85 statt eins wie beim direkten Durchtrieb) arbeitete. Die Schaltzylinder für EPS waren nun ins Gehäuse integriert.
GRÖßERE WARTUNGSINTERVALLE
Einen großen Schritt nach vorn tat Mercedes-Benz mit den neuen Fahrzeugen schließlich bei den Wartungsintervallen. Für den Fernverkehrseinsatz dehnte sie das Werk von rund 30.000 auf 45.000 Kilometer. Allein dadurch, so rechnete es der damals stellvertretende Vorstandsvorsitzende Jürgen E. Schrempp vor, reduzierten sich die Wartungsfälle innerhalb von vier Jahren von 33 auf zwölf (120.000 Kilometer Fahrleistung pro Jahr vorausgesetzt). Im Nahverkehr streckte Mercedes die Wartungsintervalle gar von bisher 10.000 auf 30.000 Kilometer.
Gewicht sparten beim SK nicht nur ein leichterer Rahmen, sondern auch verstärkter Einsatz von Kunststoff auf Gebieten, die vorher zumeist die Domäne von Metall waren: Kotflügel, Trittstufen, Bugspoiler und Windabweiser zum Beispiel. Kunststoff hatte außerdem gegenüber Metall den Vorteil, dass er nicht rostet. Gegen Rostbefall sollte der neue SK aber zudem durch verzinkte Bleche an Kabinenstirnwand, Türaußenwänden sowie an den Querträgern unten hinten besonders stark gefeit sein.
Hinterm Steuer sah der Fahrer schließlich zwar die altbekannte Instrumentierung vor sich, die jetzt aber leicht gewölbt angeordnet und in Durchlichttechnik erhellt war. Glattflächige Abdeckungen verliehen den Armaturen einen modernen, aufgeräumten Charakter. Über dem Trio aus Tacho, Drehzahlmesser und Kombiinstrument war Platz für eine breite Leiste an neuen Kontrollleuchten geschaffen, in die nun auch die Ganganzeige der EPS-Schaltung integriert war.
Schalter und Hebel für Lüftung und Heizung neigten sich dem Mann am Steuer zuvorkommend entgegen. Der Aschenbecher öffnete sich gar, wie von Geisterhand bewegt, von selbst, sobald er einen kleinen Klaps verspürte. Das Lenkrad war im Durchmesser um 50 Millimeter geschrumpft und ließ sich bei der Fernverkehrskabine stufenlos zweifach verstellen – in Höhe sowie in Neigung. Und es stellte der Fahrer die Maschine nicht mehr per pedes über den Motorbremsknopf ab, sondern elegant mit einer Drehung des Zündschlüssels.
Solchermaßen gerüstet konnte der SK, quasi als Enkel der neuen Generation, vermeintlich getrost ins Rennen gehen.
NACHFRAGE NACH SK SINKT
Doch wandelten sich Transport- und Lkw-Markt in der ersten Hälfte der 90er-Jahre radikal. Es geriet der SK nun plötzlich ins Hintertreffen. Im Jahr 1992 schon sinkt die Nachfrage nach dem Mercedes SK dramatisch. Plötzlich wurde klar, dass mit diesem Konzept kein Staat mehr zu machen ist. Die Manager setzten alle Hebel in Bewegung, um die nächste Generation schwerer Lkw – den Actros – so schnell wie möglich zu bringen. Für den SK indes hatte es zur Folge, dass er noch eine Menge Retuschen über sich ergehen lassen musste, bevor sein Nachfolger Actros just zum 100. Geburtstag des Lkw im Jahr 1996 kam.
Die einschneidendste der vielen Änderungen am SK war die 1994 vollzogene Umstellung auf Euro 2: Turboaufladung, Ladeluftkühlung, elektronisches Motorenmanagement wurden obligat. Die Leistung der Motoren staffelte sich nun bis hinauf auf 530 PS. Äußerlich war das Bemerkenswerte an dieser Modellpflege die nun gerundete und angeschrägte Form der seitlichen Windleitkörper. Sie gaben dem jahrzehntelang rechteckig ausgeführten Breitbandkühler plötzlich eine leicht V-förmige Prägung. Und bereiteten damit geradewegs auf den kommenden Schwer-Lkw Actros vor, dessen Gesicht just diesen Zug dann ganz prägnant aufwies.

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