1950 - 1964

SCHWERE LKW L 6600, L 315, L 329, L 326/334, L 331, L 332

1950 - 1964

Für höhere Tonnagen kam als erste Neuentwicklung nach dem Krieg bei Daimler-Benz der L 6600. Im Jahr 1950 debütierte dieses brave Arbeitstier, dessen Nutzlast 6.600 Kilogramm betrug. Der L 6600 mit seinem 145 PS starken und 8,3 Liter großen Vorkammerdiesel OM 315 stammte aus dem Werk Gaggenau, das sich nun ganz auf die schwere Klasse konzentrierte.

Für den Motor versprach das Werk: „Leistungen von mehr als 200.000 Kilometern und mehr sind ohne jede Motorreparatur für den Typ L 6600 keine Seltenheit.“ Verchromte oberste Kolbenringe sollten die Lebensdauer der Zylinderlaufbahnen verdoppeln, die siebenfach gelagerte Kurbelwelle lief in „gehärteten Blei-Bronce-Lagern“, welche die Endkontrolle in Gaggenau vor dem Einbau einer peniblen Röntgenkontrolle unterzog. „Drehmoment-Abstützung“ nannten die Verkaufsstrategen die „erstmalig bei einem Motor von dieser Größenordnung völlig schwingungsfreie Aufhängung“ in Gummi.

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Ein modernes Gepräge verlieh dem L 6600 außerdem ein thermostatisch geregeltes Kühlsystem mit Ölwärmetauscher, das das Motoröl effizienter als gewohnt erwärmte respektive kühlte. Eine Motorbremse gab es für den L 6600 auf Wunsch. Serienmäßig bestückte Gaggenau den Neuen zudem mit einer Zentralschmieranlage, an die „alle wichtigen Lagerstellen“ angeschlossen sind, wie ein Prospekt versicherte. Der „Sechs-Sechser“, wie ihn die Zeitgenossen nannten, verleugnete seine Abstammung vom L 6500 nicht, den Gaggenau von 1935 bis 1940 gebaut hat. Chassis und Fahrerhaus waren nur leicht modifiziert, während die Haube und Stoßfänger im Stil der Zeit mit gefälligen Rundungen daherkamen und damit dem Wagen nebenbei eine höhere Windschlüpfigkeit verschafften.

L 6600 BESTVERKAUFTER LKW IN SEINER KLASSE

Vom Fleck weg etablierte sich der L 6600 als bestverkaufter Lkw in seiner Klasse. Diese Dominanz baute das Fahrzeug teilweise zu absoluter Mehrheit aus, obwohl es in Deutschland sechs weitere Hersteller gab, die dieses Segment bedienten. Büssing, Faun, Henschel, Kaelbe, Krupp, Magirus und MAN und lauten in alphabetischer Folge die Namen all der Unternehmen, die zu dieser Zeit um die Gunst der Kunden bei Lkw von 13 bis 15 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht rangen.

Das war noch nicht die Königsklasse, aber eine bei den Kunden weitaus beliebtere Kategorie. Zwar gab es zugleich schon insgesamt sechs deutsche Hersteller, die zu Beginn der 50er-Jahre Lastwagen à 16 Tonnen Gesamtgewicht und mit starken Motoren der 200-PS-Klasse anboten. Doch griffen die wenigsten Unternehmer zu, obwohl ein Lastzug zu dieser Zeit schon – wie heutzutage wieder – stattliche 40 Tonnen auf die Waage bringen und auch zwei Anhänger im Schlepp (allerdings nur bis 1953) haben durfte. Zudem gab es das Handicap von 1,5 Tonnen weniger an Nutzlast, unter dem die 13- bis 15-Tonner gegenüber der Königsklasse zu leiden hatten.

Doch kamen sie den Käufer weit billiger zu stehen. Kostete ein 16-Tonner mit 180 bis 200 PS anno 1954 gut und gerne 50.000 Mark, so waren für einen 145 PS starken L 6600 eben nur ungefähr 35.000 Mark zu berappen. Für die so gesparten 15.000 Mark gab es zu dieser Zeit aber bereits einen kompletten dreiachsigen Anhänger. So kam es, dass die Unternehmer beim Einkauf lieber die günstigere Variante wählten und diese dann in der Praxis aber gern gnadenlos überluden. Auf diese Weise versuchten sie, das Manko zu kompensieren, das sich aus diesem knausrigen Vorgehen für die Kalkulation der Fracht ergab.

Das Werk fertigte zu dieser Zeit allerdings immer noch keine lange Kabine mit Liege, auf der die Fahrer des L 6600 übernachten konnten. Solche Varianten steuerten Karosseriefirmen wie Wackenhut, Schenk, Kässbohrer oder Kögel bei. Bis Ende 1953 produzierte Daimler-Benz den L 6600 als Pritschenwagen und in zwei Radständen sowie als Kipper. Das zulässige Gesamtgewicht kletterte von 12.500 Kilogramm in den Jahren 1950 und 1951 auf 12.750 Kilogramm in den beiden Jahren darauf und erreichte 1953 dann 13.250 Kilogramm. Damit einher ging ein steter Zuwachs bei der Nutzlast, die anfangs 6.500 Kilogramm und am Ende 7.200 Kilogramm betrug.

GROßE VIELFALT: ALLRAD, PRITSCHENWAGEN UND SATTELZUG

Zum Jahresende 1953 bereicherte eine besonders geländegängige Allradversion diese bestens eingeführte Lkw-Familie des L 6600, zu der auch eine Kastenwagen-Variante gehörte: Das für Omnibusse entwickelte Niederrahmenfahrgestell O 6600 machte es möglich.

Unter der Typenbezeichnung LG 6600 gesellte sich zu dieser illustren Runde ab 1953 noch die Entwicklung eines leicht exotischen Vetters. Dabei handelte es sich um einen für militärische Zwecke gedachten, hoch geländegängigen Allrad-Lkw mit fünf Tonnen Nutzlast, der für die im Aufbau begriffene Bundeswehr konzipiert war.

In zwei Varianten schickte ihn Daimler-Benz 1956 (und dann bereits LG 315 genannt) zur Erprobung: als Pritschenwagen sowie als Sattelzugmaschine. Bestückt waren diese rundum einzelbereiften Fahrzeuge dann allerdings mit dem neuen Vielstoffmotor OM 315 V. In größerem Stil orderte die Bundeswehr dann von 1958 bis 1964 Varianten mit offenem Fahrerhaus, Klappverdeck und mit verschiedenen Aufbauten, nachdem die Royal Air Force bereits um 1954 ein größeres Kontingent an LG 6600 bezogen hatte.

Bis 1954 lieferte Gaggenau den L 6600 grundsätzlich nur als Haubenfahrzeug. Stand dem Kunden trotzdem der Sinn nach einem Frontlenker oder einem L 6600 mit langer Kabine, musste er sich an Aufbauer wie Wackenhut, Schenk, Kässbohrer oder Kögel wenden. Die bauten die Fahrgestelle um und verpassten ihnen eigene Fahrerhäuser und Aufbauten.

L 6600 WIRD L 315

Ab 1954 benannte Mercedes den L 6600 in L 315 um und bot den Pritschenwagen weiterhin wahlweise mit 4.600 oder 5.200 Millimeter Radstand an. Die Kippervariante LK 315 (ebenfalls auf dem L 6600 K basierend) erhielt zusätzlich zum bis dahin gängigen Kipper-Radstand von 4.600 Millimetern nun auch eine 4.200-Millimeter-Variante. Und die Sattelzugmaschine LP 315 war statt mit ausschließlich 3.600 Millimeter Radstand ab 1954 auch mit dem längeren Radstand von 4.200 Millimetern zu haben. Die 315er-Modelle bleiben in der Regel bis 1957 im Programm, bis sie durch die Reihen L 326 und L 329 abgelöst werden. Nur den LG 315 baut das Werk bis 1964.

Als ausgesprochene Schwer-Lkw für den Export baute Daimler-Benz von 1957 bis 1959 zudem den L 331, der für ein Gesamtgewicht von 15 Tonnen konzipiert war und anfangs den 10,8 Liter großen Vorkammerdiesel OM 326 mit 150 PS, später die auf 172 PS gesteigerte Variante OM 326/IV erhielt. Diese Hauben-Lkw gab es als Pritschenwagen, Kipper und Sattelzugmaschinen sowohl mit den Achsformeln 4x2 als auch 4x4. Von 1958 bis 1963 lösten dann die neuen Exportmodelle L 332 und L 334 die L-331er-Reihe ab. Beim L 332 (weiterhin OM 326 mit 172 PS) erreichte das zulässige Gesamtgewicht anfangs maximal 17,5 Tonnen, ab 1958 18 Tonnen. Der L 334 hingegen war für 19 Tonnen Gesamtgewicht ausgelegt und hatte eine Variante des OM 326 unter der Haube, die 192 bis 200 PS leistete. Während der L 334 ausschließlich mit der Achsformel 4x2 zu haben war, gab es den L 332 wie schon den L 331 in allen drei Varianten (Pritschenwagen, Sattelzugmaschine und Kipper) auch allradgetrieben.

Bei den Nachfolgemodellen des L 315 fuhr Mercedes zweispurig weiter: Der L 329 war als leichtere Variante für zwölf Tonnen Gesamtgewicht konzipiert und bekam von 1956 bis 1958 weiterhin den 145 PS starken OM 315, ab 1958 bis zum Ende der Reihe im Jahr 1959 (die Allradvarianten überlebten den neuen Kurzhaubern zum Trotz bis 1962) lieferte ebenfalls der 172 PS starke OM 326 die treibende Kraft. Für maximal 16 Tonnen Gesamtgewicht hingegen war der 1956 vorgestellte und bis 1958 gebaute L 326 konzipiert, der von Anfang an die 192 bis 200 PS starke Variante des OM 326 erhielt.