BENZ GAGGENAU LASTWAGEN, 5, 5 K 2 SOWIE 5 K 3 UND 5 CN
Benz als bedeutendster Lkw-Hersteller des Deutschen Reichs baute während des Ersten Weltkriegs, der dem Lkw einen ersten großen Boom bescherte, zusätzlich zu den gängigen Drei- bis Fünftonnern verschiedene speziell für das Militär konzipierte Fahrzeuge wie Küchen-, Beobachtungs- und Pferdewagen. Außerdem fertigte Benz ab 1917 einen Artillerieschlepper mit 85 PS, der nach dem Krieg für zivile Zwecke in Landwirtschaft und Industrie weiter angeboten wurde.
In der Nachkriegszeit überflutete allerdings ein großes Angebot an gebrauchten Militär-Lkw den Markt, was den Verkauf von neuen Lkw sehr schwierig machte. Absatz fanden vor allem kleine, schwach motorisierte und preisgünstige Fahrzeuge. Die Benz-Werke in Gaggenau nutzten die Flaute, während der sie zunächst die Kriegs- und Vorkriegstypen weiterhin anboten, um gleichzeitig das Programm zu modernisieren und zu straffen.
Die Typen 5 K („K“ steht für Kettenantrieb) sowie 5 K 2 waren für vier bis fünf Tonnen Nutzlast konzipiert und wurde von 1916 bis 1920 gebaut. Als Motorisierung dienten die Aggregate S 17. Für den sogenannten Normalbetrieb das Aggregat S 117 (117 Millimeter Bohrung und 150 Millimeter Hub) mit 6,45 Liter Hubraum, die für 38 bis 45 PS gut waren, sowie S 125 (7,36 Liter, 44 bis 50 PS) nebst S 135 (8,59 Liter, 48 bis 58 PS). Der Antrieb erfolgte per Kette. Als Bereifung waren wahlweise Vollgummi oder Eisenbereifung lieferbar. Beide Varianten gab es ausschließlich im Radstand 4.250 Millimeter.
STÄRKERE VIERZYLINDER FÜR DIE NEUEN LKW
Bestückt waren diese neuen Lkw grundsätzlich mit überarbeiteten und erstarkten Vierzylindern, deren Leistungsspektrum von 30/35 über 40/45 bis hin zu 50/55 PS reichte. Den Fortschritt beim Motorenbau fasste ein Prospekt von damals folgendermaßen zusammen: „Die Antriebsmaschinen sind überaus kräftig gehalten, sparsam im Verbrauch, von überlegener Zuverlässigkeit und fast geräuschlos laufend.“ Auf Wunsch wurden die Fahrzeuge mit elektrischem Anlasser und Dynamobeleuchtung ausgestattet. Die Schmierung des Motors, die Regelung des Vergasers sowie die Zufuhr mit Kühlwasser erfolgten selbsttätig.
Als Nachfolger bot das Werk von 1920 bis 1925 den 5 K 3 an, unter dessen Haube der Motor S 120 (8,14 Liter Hubraum, 50 bis 55 PS) seinen Dienst tat. Es blieb bei Kettenantrieb und Vierganggetriebe, doch standen als weitere Radstände 4.600, 5.000 und 6.000 Millimeter zur Wahl.
DIESELMOTOR IM KOMMEN
Im Werden war zu dieser Zeit aber bereits sowohl bei Daimler als auch bei Benz ein vollkommen neues Konzept für Fahrzeugmotoren ganz anderer Art: Das Kommen von Dieselmotoren zeichnete sich ab. Als Pionier steht dafür in der Ahnenreihe der Lkw von Benz der 1923 ins Leben gerufene Prototyp 5 CN, dem der sogenannte Rohölmotor OB 2 die treibende Kraft lieferte. Er hatte im Unterschied zu den anderen Benz-Fünftonnern dieser Zeit dann wieder Kardanantrieb und sollte mit seinem Dieselaggregat Geschichte aschreiben.
Den Einzug seiner Erfindung im Automobil erlebte Rudolf Diesel selbst nicht mehr, doch hatte er die Verwendung des Dieselmotors im Fahrzeug vorausgesehen. „Es ist meine feste Überzeugung“, schrieb er noch in seinem Todesjahr 1913, „dass der Automobilmotor kommen wird, und dann betrachte ich meine Lebensaufgabe als beendet.“ Zwar hatte zu dieser Zeit der geniale Konstrukteur Prosper L’Orange bei Benz & Cie bereits das Vorkammerprinzip entwickelt. Doch sollte es noch weitere zehn Jahre dauern, bis ein darauf basierender Lkw-Diesel das Stadium der Serienreife erlangen konnte.
FAHRZEUGDIESEL OB 2 GEHT IN SERIE
Der Beschluss fiel am 14. April 1923 und rief eine erste Serie des Fahrzeugdiesels vom Typ OB 2 ins Leben, die exakt zehn Einheiten umfasste. Die trockenen technischen Daten des ersten benzschen Fahrzeugdiesels lassen die epochale Umwälzung kaum erahnen, die damit ihren Anfang nahm: vier Zylinder à 125 Millimeter Bohrung und 180 Millimeter Hub, 45 bis 50 Pferdestärken bei einer Nenndrehzahl von 1.000 U/min. Diese reichte damals fürs Prädikat „schnell laufend“ und stellte eine Errungenschaft dar, hinter der enorme Entwicklungsarbeit am ursprünglich eher schwerblütigen Dieselmotor steckte.
Ein zeitweise wahres Stakkato an einschlägigen Patenten, die Benz & Cie über die langen Jahre bis zum Serienanlauf angemeldet hatte, belegte den Dampf, mit dem die Werkstätten in Mannheim dem Fahrzeugdiesel vom Beginn der Arbeiten im Jahr 1909 an auf der Spur waren. Doch gab es auch Zäsuren: Der Erste Weltkrieg zum Beispiel legte die Entwicklung für vier Jahre vollständig auf Eis.
ERSTE VERSUCHSFAHRT MIT DEM OB 2
Schnell war hingegen der Beschluss zum Bau des OB 2 in die Tat umgesetzt. Es dauerte gerade mal gut vier Monate, bis diese Aggregate gegen Ende August 1923 einbaufertig parat standen. Und auch dann fackelten die Benz-Ingenieure nicht lange. Bauten diese neue Maschine flugs in Fünftonner-Kettenfahrgestelle ein. Starteten bereits am 10. September 1923 von Gaggenau aus eine erste Versuchsfahrt in bergigem Gelände, Braunkohlen-Teeröl schwappte dabei im Tank. Und sie konnten danach zufrieden resümieren, der Verbrauch sei um „25 Prozent geringer als bei Benzolmotoren“.
Für damalige Ohren war das Musik, kosteten doch Betriebsstoffe wie Braunkohlen-Teeröl von vornherein weit weniger als hoch besteuertes Benzol. Besonders wählerisch war der neue Motor OB 2 in der Wahl seines Futters ohnehin nicht. „Gasöl, Petroleum, Texas-Öl sowie gelbes oder braunes Paraffin-Öl“ führte ein Schreiben als mögliche Alternativen auf, mit dem die Direktion des Mannheimer Werks die Verkaufsstellen über den neuen Motor bereits Mitte August 1923 ins Bild setzte.
RIESEGE KRAFTSTOFFERSPARNIS IM VERGLEICH MIT BENZOLMOTOR
Der Öffentlichkeit gegenüber hielt sich das Werk mit der sensationellen Neuheit fürs Erste aber vornehm und weise zurück. Versuchsleiter Kurt Eltze wartete bis zum 20. Dezember 1923, bevor er dem Mannheimer Bezirksverein Deutscher Ingenieure das folgende eindrucksvolle Ergebnis präsentierte: „Eine Vergleichsfahrt über 103 Kilometer hügeliges, anspruchsvolles Gelände mit voll beladenen Fünftonner-Wagen ergab unter absolut gleichen Bedingungen für den Benzolmotor-Wagen einen Gesamtverbrauch von 40,66 Kilogramm, für den Dieselwagen 29,95 Kilogramm, also eine Ersparnis an Kraftstoffgewicht von 32 Prozent, an Kraftstoffkosten von 86 Prozent.“ Die Resonanz in Fachkreisen war ungeheuer.
Hauptsächlich zwei Patente ebneten dem Diesel den Weg, der ihn am Ende zum Gaggenauer Fünftonner-Fahrgestell 5 K 3 führen sollte. Bereits 1909 war Prosper L’Orange die zündende Idee gekommen, den Motor statt mit Lufteinblaseverfahren mit einem speziell geformten Verbrennungsraum auszustatten, der einen halbkugelförmigen Kopf aufwies – die sogenannte Vorkammer war geboren. Sie umfasste ungefähr ein Fünftel des Kompressionsraums und sollte statt explosionsartiger Verbrennung (wie zum Beispiel beim von Deutz praktizierten Nachkammermotor) eine allmähliche Verbrennung sicherstellen. Schon im Sommer 1909 bestand das Verfahren eine erste Bewährungsprobe: Acht Tage und Nächte lief das vollkommen neu konstruierte Aggregat (160 Millimeter Bohrung, 240 Millimeter Hub) anstandslos auf dem Prüfstand und brachte es auf den bemerkenswert günstigen Verbrauch von 245 Gramm Kraftstoff pro PS und Stunde.
Bis Benz zehn Jahre später das für den kommenden Fahrzeugdiesel zweite grundlegende Patent erhielt, ruhte die Arbeit am neuen Konzept aus mehreren Gründen. Sie musste erst einmal hinter die Neugestaltung der Abteilung Motorenbau zurücktreten, mit der Prosper L’Orange bald betraut war. Ab 1912 saß L’Orange gar im Vorstand des Unternehmens und musste am 4. August 1914 schließlich beim Militär einrücken.
WEITERENTWICKLUNG DES VORKAMMERMOTORS NACH DEM KRIEG
Sofort nach Kriegsende machte sich der geniale Konstrukteur aber wieder daran, den Vorkammermotor weiterzuentwickeln. Als wichtigste Neuerung kam dabei das sogenannte Trichterpatent heraus, mit dem er den Übergang von der Vorkammer zum Hauptverbrennungsraum neu konzipierte und den bislang üblichen und ebenso schädlichen wie gefährlichen Verkokungen des Kraftstoffs den Garaus machte. Der Zündkörper war nun so in den wassergekühlten Zylinderkopf eingesetzt, dass nur seine Innenseite von den Verbrennungsgasen berührt wurde. Somit diente er ausschließlich der Zerstäubung. Die Zündung selbst bewerkstelligte einzig die Verdichtung auf 35 bis 40 Atmosphären. Sinn der Übung: Dadurch arbeitete der Motor „bei allen Belastungen mit sicherer Zündung und guter Verbrennung“, so der Erfinder.
m Dieselmotorenbau verzweigte sich die Entwicklung nun in zwei Richtungen. Einerseits gab es den klassischen Zweig der Aggregate für gewerbliche Antriebe aller Art, der den Leistungsbereich von ungefähr 15 PS pro Zylinder umfasste und für gewöhnlich auf Drehzahlen um die 400 U/min fixiert war. Zum anderen zeichnete sich der Bau von schnelllaufenden Fahrzeugdieseln für Schlepper und Lkw ab.
1922: GRÜNDUNG VON MWM
Benz konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung leichter und schnelllaufender Vorkammerdiesel und stieß die Abteilung „Stationärer Motorenbau“ im April 1922 ab. Deren neuer Name lautete „Motorenwerke vormals Benz, Abteilung stationärer Motorenbau AG, Mannheim“ – kurz: MWM. Ein spezieller Paragraf im Vertragswerk begrenzte das Wirken dieses neuen Unternehmens auf „betriebsfertige Motoren im Gewicht von über 25 Kilogramm pro Pferdekraft“, womit Fahrzeugdiesel für MWM tabu waren: Zu schwer bauten diese Aggregate, um für Fahrzeuge infrage zu kommen.
Zugleich mit den stationären Motoren verließ Prosper L’Orange das Haus Benz und setzte seine Karriere im Management von MWM fort. Das weitere Geschick des Vorkammermotors nahm Benz-Oberingenieur Kurt Eltze in seine tatkräftigen Hände, wobei er allerdings gut bestellte Verhältnisse vorfand. Denn schon kurz nach der Erteilung des Trichterpatents hatte L’Orange angeregt, den neuen Motor vorerst als billigen Hilfsmotor für Kleingewerbe und Landwirtschaft auf den Markt zu bringen. Sofort begann damals der Bau des neuen Vorkammer-Zweizylinders als Stationär- und Bootsmotor.
ERSTE PROBEREISE FÜR LANDWIRTSCHAFTLICHE ZUGMASCHINEN
Nach dem Ausgliedern des Bereichs „Stationärmotoren“ legte Benz denn auch unverzüglich im Juni 1922 eine erste Probeserie jenes Zweizylinders für landwirtschaftliche Zugmaschinen auf und unternahm ausführliche Versuche, nicht nur bei Traktoren, sondern auch bei Lkw. 800 U/min betrug dessen Nenndrehzahl, die Maße für Bohrung sowie Hub lauteten 135 und 200 Millimeter. Dem Zweizylinder war eine kleine, aber bemerkenswerte Karriere beschieden: Bereits im März 1923 befand ihn Benz für serienreif und legte 100 Einheiten für Ackerschlepper auf. Bis Ende 1924 waren bereits 36 Exemplare dieses Zweizylinders in Traktoren und Motorpflüge eingebaut und verkauft. Gebaut wurde er bis 1931, insgesamt brachte Benz & Cie 1.188 dieser Maschinen an den Mann.
Dem Diesel-Traktor blieb die rechte Würdigung in der Öffentlichkeit allerdings versagt. Überstrahlte der neue Lkw-Diesel von 1923 doch alles mit seinem historischen Glanz. Unmittelbar nach dem Einschreiben der Probeserie für Schleppermotoren im Juni 1922 hatte Benz das große Werk in Angriff genommen und einen neuen Vierzylinder konzipiert, der auf 125 Millimeter Bohrung sowie 180 Millimeter Hub basierte und 45 bis 50 PS bei 1.000 Touren leisten sollte. Bereits im September 1922 lief der erste von drei insgesamt gebauten Prototypen dann auch auf dem Prüfstand.
ROBERT BOSCH KAUFT DIESELGETRIEBENEN FÜNFTONNER
Ende Oktober desselben Jahres fanden alle drei Aggregate schon den ihnen zugedachten Platz als treibende Kraft unter der Haube des Gaggenauer Fahrgestells 5 K 3, das für fünf Tonnen Nutzlast konzipiert war und das neue Dieselherz nun Bekanntschaft mit „gründlicher Erprobung im Fahrdienst“ machen ließ. Dort bewährte sich der neue Motor OB 2 so gut, dass der Beschluss zur Serienfertigung bereits ein halbes Jahr später definitiv fallen konnte.
Doch sollte es noch ein Weilchen dauern, bis sich das neue Konzept von 1923 auf breiter Front durchsetzen konnte. Großen Anteil daran hatte zum Beispiel just jene Person, die als erster Käufer eines solchen dieselgetriebenen Fünftonners bei Benz auftrat: Robert Bosch in Stuttgart orderte am 7. Juli 1924 den neuen Fünftonner-Diesel-Lkw, welchen Benz & Cie im September lieferte.
Boschs Neugier kam nicht von ungefähr. Bereits Ende 1922 hatte er beschlossen, mit dem Bau von Einspritzpumpen zu beginnen. Die fahrfertige Lieferung aus Gaggenau öffnete dem Konstrukteur in mancherlei Hinsicht die Augen: Der Benz-Diesel-Lkw habe gezeigt, so erinnert sich Bosch später, „wie weit unsere bisherigen Arbeiten gerechtfertigt waren und welche Fehlerquellen dabei auftauchten“. Und weiter: „Vor allem wurden wir aber ermuntert, unsere Anstrengungen fortzusetzen.“
Wovon am Ende auch der Dieselmotor selbst wiederum nicht zu knapp profitierte. Denn der große Aufschwung für den Diesel kam erst, als Bosch die Acro-Lang-Einspritzpumpe systematisch verbessert hatte und sich im Jahr 1927 schließlich anschicken konnte, mit seiner neuen Bosch-Einspritzpumpe den Weltmarkt zu erobern.
INTERESSENGEMEINSCHAFT DAIMLER UND BENZ
Auch die Daimler-Motoren-Gesellschaft hatte zu dieser Zeit bereits einen Dieselmotor entwickelt. Dass von beiden bei Daimler und Benz vorhandenen Systemen aber nur eines auf Dauer den Zuschlag erhalten würde, lag auf der Hand: Im Vorfeld der späteren Fusion hatten die Benz & Cie und die Daimler-Motoren-Gesellschaft schon am 1. Mai 1924 einen Interessengemeinschaftsvertrag geschlossen, der den jeweiligen eigenen konstruktiven Spielraum in Mannheim und Berlin zugunsten eines Zentral-Konstruktionsbüros stark einschränkte. Welche Richtung dort einzuschlagen sei, darüber wogten heftige Auseinandersetzungen bis ins Jahr 1925. Und bremsten natürlich die Entwicklung.
Bis 1926 gelangten die neuen zwei- und vierzylindrigen Fahrzeugdiesel von Benz somit über zweistellige Absatzzahlen nicht hinaus. Insgesamt erreichten diese bis 1928 produzierten frühen Fahrzeugdiesel aber doch die beachtliche Stückzahl von 631 Einheiten, bevor sie dem Sechszylinder OM 5 endgültig weichen mussten, den die frisch fusionierte Daimler-Benz AG ab 1926 neu entwickelt hatte.