INTERVIEW DR. FRANK REINTJES

"Erfolgreich im globalen Verbund"
Dr. Frank Reintjes, Leiter Global Powertrain and Manufacturing Engineering Daimler Trucks, über die Globalisierung des Geschäfts und die Zukunft der deutschen Werke.
Herr Dr. Reintjes, warum eine Global Powertrain-Strategie, wenn die Lkw weltweit doch so verschieden sind?
Dr. Reintjes: Wir fertigen in unserem globalen Powertrain-Verbund unter Einbeziehung aller relevanten Funktionen entlang der Wertschöpfungskette hocheffiziente und zuverlässige Motoren, Achsen und Getriebe, die in allen Nutzfahrzeugsparten und -marken von Daimler zum Einsatz kommen. Obwohl die diversen Markt- und Kundenanforderungen in unterschiedlichen Fahrzeugen resultieren ist der Einbau eines komplett integrierten Antriebsstrangs dennoch sinnvoll. Die Komponenten kommen alle aus einer Hand und sind perfekt aufeinander abgestimmt. Das garantiert unseren Kunden die niedrigsten Gesamtbetriebskosten oder wie man sagt Total Cost of Ownership.
Wie fügt sich das in die Strategie von Daimler Trucks ein?
Dr. Reintjes: Neben „Globaler Marktpräsenz“ und „Technologieführerschaft“ sind „Intelligente Produktplattformen“ eine der drei strategischen Säulen von Daimler Trucks. Dabei nimmt Global Powertrain eine zentrale Rolle ein. Die Powertrain-Plattformen schaffen im internationalen Produktionsverbund Synergien und Skaleneffekte, von denen Daimler Trucks deutlich profitiert. Mit einem Anteil von rund 50 Prozent an der Wertschöpfung eines Lkw sowie aufgrund seiner hochwertigen und zuverlässigen Produkte hat der Antriebsstrang entscheidenden Anteil am Erfolg von Daimler Trucks.
Einer der grundlegenden Schritte zur globalen Ausrichtung war sicherlich die Einführung der neuen Motorenplattform HDEP (Heavy Duty Engine Platform). Was trägt noch dazu bei?
Dr. Reintjes: Um erst einmal bei den Motoren zu bleiben: Seit kurzem bieten wir nach dem großen Erfolg der schweren Baureihe auch den neuen mittelschweren Motor unter der Bezeichnung DD5 in den USA an. Zunächst werden die Motoren in unserem Mannheimer Werk produziert, 2018 läuft auch der große Bruder DD8 an und wir starten mit der Fertigung direkt vor Ort in Detroit. Bei den Getrieben sind wir mit dem neuen Powershift-Getriebe ebenfalls erfolgreich unterwegs. Es hat sich nicht nur im neuen Actros und im Super Great von Fuso bewährt, sondern seit 2013 auch den nordamerikanischen Lkw-Markt revolutioniert. Auf dem traditionell von Schaltgetrieben dominierten US-Markt wurde 2015 schon nahezu jeder zweite Freightliner Cascadia im NAFTA-Raum mit dem automatisierten DT12-Getriebe verkauft. Diese Strategie der Lokalisierung unserer Komponentenfertigung setzen wir auch in Zukunft konsequent fort.
Sie sagten bereits, dass das europäische Powershift 3-Getriebe in den USA unter dem Namen DT12 gefertigt und verbaut wird. Wie hat hier Detroit Diesel vom europäischen Know-how profitiert?
Dr. Reintjes: Das Getriebe ist sowohl im europäischen als auch im amerikanischen Markt ein großer Erfolg. Beim Aufbau der Produktionsanlagen und der Qualifizierung der Belegschaft hat die Getriebe-Mannschaft aus Gaggenau die Kollegen aus Detroit mit vollem Einsatz unterstützt. Detroit konnte dabei natürlich von den Erfahrungen und dem Wissen der deutschen Kollegen profitieren. Beim Produktionsanlauf der Medium-Duty-Motoren, die ab 2018 parallel in Mannheim und Detroit gefertigt werden, wird es unter den Standorten ebenfalls eine solch enge internationale Zusammenarbeit geben.
Was bedeutet das für die deutschen Standorte?
Dr. Reintjes: Unsere deutschen Standorte spielen weiterhin eine zentrale Rolle. Wir stärken sie gezielt für die Zukunft: Für unser Werk in Gaggenau sind bis 2021 rund 800 Millionen Euro vorgesehen, für Kassel 450 Millionen und nach Mannheim werden bis 2020 insgesamt 1 Milliarde Euro fließen. Ziel ist es, mit zukunftsfähigen Produkten weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Schwellenländer wie Brasilien, Indien, Russland oder China benötigen nicht zwangsläufig immer State-of-the-Art-Technologie. Wie geht Global Powertrain in dieser Hinsicht vor?
Dr. Reintjes: Dort setzen wir weiterhin auf unsere bewährten und ausgereiften Produkte. So werden zum Beispiel Motoren der Baureihe 900 in Brasilien in Nutzfahrzeuge von Mercedes-Benz, in Indien in Fahrzeuge von Bharat Benz sowie in Russland in Lkw von Kamaz eingebaut. Der vom Axor her bekannte Zwölflitermotor OM 457 wird in Zukunft lokal in China produziert und kommt in der Auman-Reihe des chinesischen Herstellers Foton zum Einsatz.
Daimler hat kürzlich den Urban eTruck vorgestellt. Wie ist Global Powertrain bei den alternativen Antrieben aufgestellt?
Dr. Reintjes: Die Entwicklung von alternativen Antrieben ist ein wichtiges Thema. Dabei setzen wir neben der Erdgastechnologie besonders auf die Elektromobilität. So wird zum Beispiel ab 2017 eine Kleinserie der dritten Generation des Fuso eCanter an Kunden ausgeliefert. 2018 wird Mercedes-Benz den ersten elektrischen Stadtbus in Serie bringen. Und Anfang des nächsten Jahrzehnts ist die Markteinführung des Urban eTrucks denkbar, die batterie-elektrische Alternative für den schweren Verteilerverkehr. Für die Langstrecke entwickeln wir unsere hocheffizienten Dieselmotoren kontinuierlich weiter.
Wie erfolgreich ist Global Powertrain bei externen Kunden unterwegs, die nicht zu Daimler gehören?
Wir wachsen auch im Drittkundengeschäft immer weiter. Im On-Highway-Segment spricht Global Powertrain Marktsegmente an, die für Daimler Truck & Buses bisher nicht zugänglich waren. Hier zählt z. B. Wrightbus aus Großbritannien zu unseren Kunden. Im Off-Highway-Segment beliefern wir unter anderem die „Motoren- und Turbinen-Union“ (MTU). Außerdem setzen Landmaschinenhersteller wie „Claas“ oder der Baumaschinen-OEM „JCB“ auf unsere Motoren.
Sie haben viel von der Vernetzung der Werke gesprochen, wie sieht es mit der Digitalisierung der Produkte bei Global Powertrain aus?
Dr. Reintjes: Für unsere Kunden stehen Zuverlässigkeit und maximale Verfügbarkeit ihrer Fahrzeuge an erster Stelle. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bieten wir in unseren Fahrzeugen mit Mercedes-Benz Uptime und Detroit Connect digitale Telematik-Lösungen, die die Verfügbarkeit deutlich erhöht. Mercedes-Benz Uptime und Detroit Connect sind über Sensoren mit allen wichtigen Fahrzeugkomponenten verbunden, unter anderem mit dem Antriebsstrang. Die Dienste überprüfen kontinuierlich die Fahrzeugsysteme und melden automatisch Reparatur- oder Wartungsbedarfe. Die Daten werden dafür verwendet, dem Kunden Handlungsempfehlungen zu geben und auf Wunsch sogar die Reparatur- und Wartungsarbeiten zu organisieren. Das spart Arbeit und Zeit und verhindert überflüssige Standzeiten.
Vita Dr. Frank Reintjes
Dr. Frank Reintjes ist seit 2013 Bereichsvorstand Global Powertrain Trucks und Mitglied des Divisional Boards Daimler Trucks. Zuvor leitete er als Vice President den Bereich Global Service & Parts and After-Sales Business Europe. In dieser Tätigkeit verantwortete er das weltweite Service- und Teilegeschäft für Mercedes-Benz Cars, Mercedes-Benz Transporter und Lkw sowie Mitsubishi FUSO Europa.