ZUKUNFT
Fahrzeuge und Transport von morgen: Digitalisierung und Konnektivität werden die Welt des Transports gehörig umkrempeln. Was heute davon in der Praxis schon zu sehen ist, bildet nur den Auftakt für ganz neue Konzeptionen.
Da ist Musik drin

Kein Beleuchter dieser Welt hätte das Licht besser hinbekommen, in dem die Zukunftsstudie silberfarben strahlt. Schwarze Wolken brauen sich im Norden Papenburgs zusammen, während die Sonne im Süden durch die Wolken bricht. Sie taucht das Testgelände in besonders klares Licht. Dramatischer könnte die Szenerie kaum sein, in der eine ganz besondere Premiere stattfindet: Tief drinnen in der Anlage, da wartet im Herzen des Testgeländes ein Geheimnis. Denn erstmals lässt dort der Lkw der Zukunft, wie ihn Mercedes sich vorstellt, seine Stracciatella-Hülle fallen.
Das war im Jahr 2014, als lastauto omnibus erstmals und exklusiv die Möglichkeit hatte, den sogenannten Future Truck 2025 zu fahren. Damals notiert der Tester, erstmals am Steuer eines autonom fahrenden Lkw: „Autonomes Fahren, das geht so: Kaum hat der Actros mit dem Highway Pilot System in seinem futuristischen Gewand Fahrt auf der Papenburger Teststrecke aufgenommen, da scheint auch schon im Display ,Highway Pilot available‘ auf. Fix auf ,Set‘ (ganz wie beim Tempomaten) gedrückt, übernimmt das System die Regie. Die Hände sind nicht mehr ans Lenkrad gefesselt. Das Auge hat freie Bahn.

Schwankender als der erstaunlich geradlinige Kurs des Prototyps die Gefühlslage des altgedienten Lkw-Profis: „Anfangs kommt da durchaus noch leichtes Unbehagen auf“, steht in der Reportage zu lesen, die im Folgenden bemerkt: „Doch fährt der Highway Pilot weder Schlangenlinien zwischen den Fahrbahnmarkierungen noch hält er übereifrig schnurgeraden Kurs. Er korrigiert mit Maß und Ziel, ganz wie der Mensch.“ Fazit: „Und der gewöhnt sich ans autonome Fahren so schnell wie an den Tempomaten oder das automatisierte Schalten. Schade fast, dass dem Highway Pilot noch Grenzen gesetzt sind.
Future Truck 2025 mit völlig neuem Design
Doch ist es nicht nur das spektakuläre Licht, weswegen sich der Betrachter erst einmal verblüfft die Augen reibt. Was die Mercedes-Designer da hinmodelliert haben, das hat auf den ersten Blick gar nichts mehr mit dem Bild vom Lkw zu tun, wie wir ihn heute kennen.
Es fehlt so vieles, was aus heutiger Sicht einfach dazugehört. So ganz ohne erkennbare Scheinwerfer: fast wie ein Gesicht ohne Augen. Klassische Rückspiegel sind auch nicht mehr zu finden. Stattdessen zwei Mirror Cams oben rechts und links. Da linsen jetzt Kameras. „Spart ein bis anderthalb Prozent Sprit“, sagen die Experten. Obendrein gibt es auch keine Trennfuge auf Hüfthöhe mehr. Die neue Ausrichtung des Mercedes-Designs, die der ungewohnte Look des Future Truck 2025 auf seine Art reflektiert, nimmt einen Teil der künftig zu erwartenden Umwälzungen vielleicht schon vorweg.
Denn dessen reduzierte Formen demonstrieren erstmals, wie sich die neue Designphilosophie der „sinnlichen Klarheit“ beim Lkw niederschlagen könnte. Naturnahe, fließende Formen mit Lichtinszenierung auf der einen Seite, höchstmögliche Vernetzung und Effizienz bis hin zum autonomen Fahren auf der anderen Seite: Das, so lautet die Philosophie, bringe den wesentlichen Aspekt der Marke Mercedes-Benz – die Bipolarität aus Emotionen und Intelligenz – exakt auf den Punkt.
Eine konsequente Umsetzung dieser Philosophie ist das Platooning. Die „sinnliche Klarheit“ manifestiert sich dabei in den Dank Vernetzung fließenden und effizienten Verkehrsströmen.
30 Jahre Platooning-Forschung

Von verschiedenen Regierungen unterstützt und von der damaligen Daimler-Benz AG koordiniert, machten sich schon in den 1980er Jahren mehr als 300 Wissenschaftler daran, an Lösungen zur Verbesserung der Effizienz, Umweltverträglichkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs zu arbeiten. Die Grundlagen für die heute diskutierte Vernetzung von Fahrzeugen wurden damals gelegt. Zehn Jahre später hielt umfassende Elektronik mehr und mehr Einzug im Lkw. Elektronische Bordnetze kamen, die Mobilkommunikation blühte ebenso auf wie die Nutzung von GPS-Daten und dem Internet. So tauchten 1998 erste Platoons in Gestalt von „Promote Chauffeur“ auf: zwei per elektronischer Deichsel miteinander verbundene Sattelzüge. Umfassende elektronische Vernetzung kam aber erst ab der Jahrtausendwende, als Telematik Einzug in die Fahrzeuge hielt. Da startete – zum Beispiel in Gestalt von FleetBoard – die Vernetzung von Fahrer und Fahrzeug mit der Außenwelt. Wie der Spritverbrauch per GPS-Daten zu senken ist, demonstrierten dann erstmals vorausschauende Tempomaten wie das 2012 von Daimler vorgestellte System Predictive Powertrain Control (PPC). Und keine zwei Jahre später demonstrierte der eingangs erwähnte Future Truck noch im Tarnkleid seine Fähigkeit zum autonomen Fahren.
Urban eTruck – IAA Highlight 2016

Als Highlight der IAA 2016 kommt ein Konzepttruck für den innerstädtischen Verkehr. Premiere feiert dort der Mercedes-Benz Urban eTruck, der sich lokal abgasfrei sowie flüsterleise auf stadtnahem Parkett bewegt. Für den Antrieb zeichnen radnabennahe Elektromotoren verantwortlich, die dem 26-Tonner im Verein mit leistungsstarken Batterien eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern verschaffen.
Aber nicht nur das Design, sondern auch die Technik hat sich mittlerweile ein großes Repertoire an zukunftsträchtigen Stücken erarbeitet. „Vernetzung“ lautet da zum Beispiel eines der großen Leitmotive. Äußerst praktisch kann das sein. Stichwort „Mercedes-Benz Uptime“: Das bedeutet nichts Geringeres als eine erhöhte Fahrzeugverfügbarkeit durch eben diese Vernetzung. Mercedes-Benz Uptime überprüft, basierend auf dem FleetBoard Truck Data Center, kontinuierlich die Fahrzeugsysteme. Das umfasst die komplette mit Sensoren ausgestattete Technik des Lkw und die Technik, deren Informationen im CAN-Datenbussystem abgreifbar sind, ebenso die Füllstände der Betriebsflüssigkeiten.
Vernetzung heißt das Zauberwort der Zukunft

Deutet sich Reparatur- oder Wartungsbedarf an, meldet dies der Lkw automatisch über das Telematiksystem FleetBoard an den Server des Mercedes-Benz Service. Der Server analysiert daraufhin die Daten anhand hinterlegter Algorithmen, erzeugt sodann in Echtzeit eine genaue Interpretation der Fehler und überträgt sie zusammen mit konkreten Handlungsempfehlungen an die Serviceorganisation. Diese kontaktiert den Kunden, gibt die Handlungsempfehlungen weiter und nimmt ihm bei Bedarf die Werkstattsuche und Organisation ab.
Der gesamte Ablauf geschieht vollautomatisch. Innerhalb von wenigen Minuten nach Eintritt eines Fehlercodes oder der Warnung vor einem möglichen künftigen Defekt ist der Kunde informiert, gleichzeitig liegt ihm eine qualifizierte Handlungsempfehlung vor. Droht akut der Ausfall eines Lkw, wird umgehend das Customer Assistance Center (CAC) in Maastricht in den Niederlanden informiert.
Von dort kommt unverzüglich ein Anruf beim definierten Ansprechpartner im Unternehmen. Ist eine sofortige Reparatur notwendig, wird eine Vereinbarung über einen Werkstattstopp entlang der geplanten Route des Lkw getroffen. Das CAC benennt Servicestützpunkte, klärt deren zeitliche Ressourcen und wirft obendrein sogar einen Blick in das Lager der Werkstatt, ob die benötigten Teile vorrätig sind.
Apps erobern den Lkw

Auch öffnet sich dem Lkw die große weite Welt der Apps. So feiert Daimler FleetBoard 2016 die Premiere des neuen FleetBoard Store für Apps. Bei der Vorstellung sind bereits Prototypen von 14 Apps mit von der Partie. Die Plattform ist bewusst offen konzipiert, damit Branchenpartner, wie beispielsweise Aufbauhersteller, aber auch App-Entwickler nützliche Apps beisteuern können, um den Straßengüterverkehr in Summe noch effizienter zu machen.
Die Apps aus dem FleetBoard Store können nicht nur in Lkw von Mercedes-Benz, sondern auch in allen Fremdmarken genutzt werden. Sie sind grundsätzlich in der Lage, auf Echtzeit-Daten zuzugreifen und laufen auf dem herausnehmbaren Fahrer-Tablet DispoPilot.guide von FleetBoard.
Konnektivität par excellence bietet auch die neue FleetBoard Manager App. Sie vermittelt den Kunden hilfreiche Informationen über ihre Flotte, wie deren zurückgelegte Gesamtkilometerlaufleistung der letzten sieben Tage, sowie einen Vergleich zu den vorhergegangenen sieben Tagen. Zudem wird das Fahrzeug mit der höchsten und niedrigsten Laufleistung angezeigt. Daraus kann der User Rückschlüsse auf die Auslastung seiner Flotte im Wochenverlauf ziehen.
Neben der Kilometerleistung wird auch der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch der Flotte angezeigt – unterteilt in Fahrverbrauch sowie Standverbrauch mit und ohne Nebenverbraucher. Ebenso zeigt die FleetBoard Manager App das Fahrzeug mit dem höchsten und niedrigsten Verbrauch an. Geht es um die Verfügbarkeit der Flotte oder das frühzeitige Einplanen von Wartungen, zeigt der FleetBoard Manager den jeweiligen Fahrzeugzustand und nächsten Wartungstermin an.
Die Übersicht des Fahrzeugzustands gibt Informationen über notwendige Wartungsmaßnahmen, die zum Beispiel auch der Fahrer schnell und unkompliziert erledigen kann, um den Lkw weiter sicher auf der Straße zu halten. FleetBoard bietet künftig allen Mercedes-Benz Lkw-Kunden den einfachen, schnellen und kostenlosen Einstieg in die Konnektivität. Voraussetzung für die Nutzung der App ist die Verbauung des neuen FleetBoard Truck Data Center im Fahrzeug.
So weit die heutige praktische Nutzanwendung. Wohin das alles in nicht allzu ferner Zukunft führen könnte, auch dazu hat Mercedes-Benz gerade erst auf der IAA in Hannover ganz konkrete Ansätze und Lösungen gezeigt. Die Transportwelt von morgen, dazu gehört noch mehr als der autonom auf der Autobahn fahrende Actros. Die Rede ist in diesem Zusammenhang für den Fernverkehr zum Beispiel auch von Platoons, zu denen sich die Langstrecken-Lkw verbinden, um damit den Verbrauch und die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Lieferkette mit System

Erreicht der Actros sein Ziel in Gestalt eines großen Logistikcenters an der Peripherie der Stadt, dann könnte die weitere Lieferkette aus Sicht von Mercedes in einer künftig eng vernetzten Welt so aussehen: Die Rampe ist bereits vorbereitet, die Gabelstapler warten. Die Waren werden umgehend in intelligente Regalsysteme umgeladen, die einer bestimmten Lieferroute zugeordnet sind.
Auch das weitere Geschehen hat mit der heutigen Praxis nicht mehr viel zu tun: Roboter sind es, so ein weiteres Beispiel für greifbar nahe Zukunftstechnik, die künftig von ihnen bereits eingeräumte Regale samt Inhalt in elektrische Transporter oder elektrische Verteiler-Lkw verstauen. Elektrischem Antrieb soll dabei nicht nur zu Lande, sondern auch in der Luft eine Schlüsselrolle zukommen: Denn die Güter, so lautet das Credo weiter, werden emissionsfrei und leise ausgeliefert – bis auf Ihre Terrasse. Und zwar abgesetzt durch eine Drohne, die vom Transporter aus gesteuert wird.
