MOTOREN

Er ist das Herz des Fahrzeugs und fungiert als treibende Kraft. Trat der erste Lkw-Motor der Welt noch mit bescheidenen vier PS an , so gebietet der stärkste aller Serienmotoren mit Stern auf dem Zylinderkopf heute schon über 625 PS.

TREIBENDE KRAFT

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Bis sich der Lkw auch beim Motor vom Pkw emanzipieren konnte, sollte es ein Weilchen dauern. Und weder Gottlieb Daimler noch Rudolf Diesel erlebten die Revolution, die das Bild des Nutzfahrzeugs ab 1923 grundlegend veränderten. Es war der geniale Benz-Ingenieur Prosper L’Orange, der in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Rudolf Diesels alten Traum verwirklichte, den Diesel auch fürs Fahrzeug fit zu machen.

Zu Lande feiert der Diesel anno 1913 Premiere im Schienenfahrzeug. Das schweizerischen Unternehmen Sulzer lieferte die 1000-PS-Maschine für jene zusammen mit Borsig entwickelte Diesellokomotive, die mit ihrem Vierzylinder-V-Motor Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h erreichte.

Der Automobil-Diesel ließ hingegen eben noch bis 1923 auf sich warten, obwohl Rudolf Diesel schon früh an eine solche Verwendung gedacht hatte: „Ich habe noch immer die feste Überzeugung“, schrieb er in seinem Todesjahr 1913, „daß auch noch der Automobilmotor kommen wird und dann betrachte ich meine Lebensaufgabe als beendet.“

Lufteinblasung in Marienfelde

Viele Experimente mit umgebauten Ottomotoren scheiterten in den Jahren bis 1923 an den Schwierigkeiten, die die Lufteinblasung bei wechselnden Drehzahlen mit sich brachte. Gelöst haben das Problem schließlich die Daimler-Mannen aus Berlin-Marienfelde, die schon 1923 über einen Fahrzeugdiesel verfügten, der mit Kompressor bestückt war und nach dem Lufteinblase-Verfahren arbeitet.

Elegant umgangen hat dieses Problem die Benz & Cie. mit einem Vorkammermotor, der dem Daimlerschen Diesel bald den Rang ablief. Welchem Verfahren der Vorzug zu geben sei, entschied sich schnell:. Daimler zog den kürzeren, weil der Vorkammermotor einfacher zu bauen war, weniger wog und sich billiger produzieren ließ.

Vorkammerverfahren in Gaggenau

Der Beschluss fiel am 14. April 1923 und rief eine erste Serie des Fahrzeugdiesels vom Typ OB 2 ins Leben, die exakt zehn Einheiten umfasste. Die trockenen technischen Daten des ersten Benz'schen Fahrzeugdiesels lassen die epochale Umwälzung kaum erahnen, die damit ihren Anfang nahm: vier Zylinder à 125 Millimeter Bohrung und 180 Millimeter Hub, 45 bis 50 Pferdestärken bei einer Nenndrehzahl von 1000 U/min. Die reichte damals locker fürs Prädikat „schnelllaufend“ und stellte eine Errungenschaft dar, hinter der emsiges Tüfteln am ursprünglich eher schwerblütigen Dieselmotor steckte.

Ein zeitweise wahres Stakkato an einschlägigen Patenten, das Benz & Cie. über die langen Jahre bis zum Serienanlauf angemeldet hatte, belegt den Dampf, mit dem die Werkstätten in Mannheim dem Fahrzeugdiesel vom Beginn der Arbeiten im Jahr 1909 an auf der Spur waren. Doch gab es auch Zäsuren: Der Erste Weltkrieg zum Beispiel legte die Entwicklung für vier Jahre vollständig auf Eis.

Enorme Ersparnis beim Verbrauch

Schnell war der Beschluss zum Bau des OB 2 hingegen in die Tat umgesetzt. Es dauerte gerade mal gut vier Monate, bis diese Aggregate gegen Ende August 1923 einbaufertig parat standen. Und auch dann fackelten die Benz-Mannen nicht lange. Bauten die Maschine flugs in Fünftonner-Kettenfahrgestelle ein. Starteten bereits am 10. September 1923 von Gaggenau aus eine erste Versuchsfahrt in bergigem Gelände, Braunkohlen-Teeröl schwappte dabei im Tank. Und sie konnten danach zufrieden resümieren, der Verbrauch sei um „25 Prozent geringer als bei Benzolmotoren“.

Für damalige Ohren war das Musik, kosteten doch Betriebsstoffe wie Braunkohlen-Teeröl von vornherein weit weniger als hoch besteuertes Benzol. Besonders wählerisch war der neue Motor OB 2 in der Wahl seines Futters ohnehin nicht. „Gasöl, Petroleum, Texas-Öl sowie gelbes oder braunes Paraffin-Öl" führte ein Schreiben als mögliche Alternativen auf, mit dem die Direktion des Mannheimer Werks die Verkaufsstellen über den neuen Motor bereits Mitte August 1923 ins Bild gesetzt hatte.

Der Öffentlichkeit gegenüber hielt sich das Werk mit der sensationellen Neuheit fürs erste aber vornehm und weise zurück. Versuchsleiter Kurt Eltze wartete bis zum 20. Dezember 1923, bevor er dem Mannheimer Bezirksverein Deutscher Ingenieure das folgende eindrucksvolle Ergebnis präsentierte: „Eine Vergleichsfahrt über 103 Kilometer hügeliges, anspruchsvolles Gelände mit voll beladenen Fünftonner-Wagen ergab unter absolut gleichen Bedingungen für den Benzolmotor-Wagen einen Gesamtverbrauch von 40,66 Kilogramm, für den Dieselwagen 29,95 Kilogramm, also eine Ersparnis an Kraftstoffgewicht von 32 Prozent, an Kraftstoffkosten von 86 Prozent.“ Die Resonanz in Fachkreisen war ungeheuer.

Die zündende Idee

Hauptsächlich zwei Patente ebneten dem Diesel den Weg, der ihn am Ende ins Gaggenauer Fünftonner-Fahrgestell 5 K 3 führen sollte. Bereits 1909 war Prosper L'Orange die zündende Idee gekommen, den Motor statt mit Lufteinblaseverfahren mit einem speziell geformten Verbrennungsraum auszustatten, der einen halbkugelförmigen Kopf aufwies - die so genannte Vorkammer war geboren. Sie umfasste ungefähr ein Fünftel des Kompressionsraums und sollte statt explosionsartiger Verbrennung (wie zum Beispiel beim von Deutz praktizierten Nachkammermotor) eine allmähliche Verbrennung sicherstellen. Schon im Sommer 1909 bestand das Verfahren eine erste Bewährungsprobe: Acht Tage und Nächte lief das vollkommen neu konstruierte Aggregat (160 Millimeter Bohrung, 240 Millimeter Hub) anstandslos auf dem Prüfstand und brachte es auf den bemerkenswert günstigen Verbrauch von 245 Gramm Kraftstoff pro PS und Stunde.

Bis Benz zehn Jahre später das für den kommenden Fahrzeugdiesel zweite grundlegende Patent erhielt, ruhte die Arbeit am neuen Konzept aus mehreren Gründen. Sie musste erst einmal hinter die Neugestaltung der Abteilung Motorenbau zurücktreten, mit der Prosper L'Orange bald betraut war. Ab 1912 saß L'Orange gar im Vorstand des Unternehmens und musste am 4. August 1914 schließlich beim Militär einrücken.

Auf den Trichter gekommen

Sofort nach Kriegsende machte sich der geniale Konstrukteur aber wieder daran, den Vorkammermotor weiterzuentwickeln. Als wichtigste Neuerung kam dabei das so genannte Trichterpatent heraus, mit dem er den Übergang von der Vorkammer zum Hauptverbrennungsraum neu konzipierte und den bislang üblichen und ebenso schädlichen wie gefährlichen Verkokungen des Kraftstoffs den Garaus machte. Der Zündkörper war nun so in den wassergekühlten Zylinderkopf eingesetzt, dass nur seine Innenseite von den Verbrennungsgasen berührt wurde, und diente somit ausschließlich der Zerstäubung. Die Zündung selbst bewerkstelligte einzig die Verdichtung auf 35 bis 40 Atmosphären. Sinn der Übung: Dadurch arbeite der Motor „bei allen Belastungen mit sicherer Zündung und guter Verbrennung“, so der Erfinder.

Dass Benz & Cie. mit diesen Vorkammermotoren der große Wurf gelungen war, bescheinigte dem Werk respektvoll später keine geringere Instanz als die Deutzer Gasmotorenfabrik, die mit der verzwickten Materie vertraut war wie kaum ein zweites Unternehmen: „Erst das kompressorlose Dieselverfahren, also der Diesel mit luftloser Einspritzung, machte mit seiner großen Vereinfachung den Weg über das Rohöl im Wagenbetrieb frei“, lautet das Resümee einer Schrift von 1928.

Bosch ist sofort zur Stelle

Doch sollte es noch ein Weilchen dauern, bis sich das neue Konzept von 1923 auf breiter Front durchsetzen konnte. Großen Anteil daran hatte zum Beispiel just jene Person, die als erster Käufer eines solchen dieselgetriebenen Fünftonners bei Benz auftrat: Robert Bosch in Stuttgart war hellhörig geworden und orderte schnurstracks am 7. Juli 1924 den neuen Fünftonner-Diesel-Lkw, welchen Benz prompt schon im September lieferte.

Boschs Neugier kam nicht von ungefähr. Bereits Ende 1922 hatte er beschlossen, mit den Bau von Einspritzpumpen zu beginnen. Die fahrfertige Lieferung aus Gaggenau öffnete dem Konstrukteur in mancherlei Hinsicht die Augen: Der Benz-Diesel-Lkw habe gezeigt, so erinnerte sich Bosch später, „wie weit unsere bisherigen Arbeiten gerechtfertigt waren und welche Fehlerquellen dabei auftauchten.“ Und weiter: „Vor allem wurden wir aber ermuntert, unsere Anstrengungen fortzusetzen.“

Einspritzung verbessert

Wovon am Ende auch der Dieselmotor selbst wiederum nicht zu knapp profitierte. Denn der große Aufschwung für den Diesel kam erst, als Bosch die Acro-Lang-Einspritzpumpe systematisch verbessert hatte und sich im Jahr 1927 schließlich anschicken konnte, mit seiner neuen Bosch-Einspritzpumpe den Weltmarkt zu erobern.

Bis 1926 allerdings gelangten die neuen zwei- und vierzylindrigen Fahrzeugdiesel von Benz über zweistellige Absatzzahlen nicht hinaus. Insgesamt erreichten diese bis 1928 produzierten frühen Fahrzeugdiesel aber doch die beachtliche Stückzahl von 631 Einheiten, bevor sie dem Sechszylinder OM 5 endgültig weichen mussten, den die frisch fusionierte Daimler-Benz AG ab 1925 neu entwickelt hatte.

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Vorkammer macht das Rennen

Dieser 75 PS starke Lkw-Motor mit 8,6 Liter Hubraum feierte seine Premiere im Mai 1927 auf der Automobilausstellung in Köln und ließ als weiterer kompressorloser Diesel keinen Zweifel daran, welches Konstruktionsprinzip sich bei Daimler-Benz durchgesetzt hatte: Aus einleuchtenden Gründen war die Wahl auf den bei Benz & Cie. entwickelten Vorkammermotor gefallen. Seine großen Trümpfe gegenüber der aus Berlin ins Feld geführten Konstruktion mit Drucklufteinblasung lauteten: einfacherer Aufbau und günstigere Charakteristik der Verbrennung. Bei den leichten Lkw machte der Zweitonner Lo 2000 den Diesel mit dem neuen, kleinen Vierzylinder namens OM 59 salonfähig.

Mit diesen Vorteilen konnte sich das Vorkammerprinzip jahrzehntelang im Nutzfahrzeugdiesel von Mercedes behaupten. Erste Direkteinspritzer, die den Vorkammermotor dann sachte im schweren Lkw bei Mercedes-Benz ablösten, tauchten in den 60er-Jahren auf. Sie erwiesen sich als deutlich sparsamer denn die Vorkammerdiesel der 300er-Baureihe, bei den Nutzfahrzeugmotoren vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis eben in die 60er Jahre absolut dominiert hatte. Im Transporter aber hielt sich das von Prosper L'Orange entwickelte Vorkammerkonzept gar bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts.

Die legendäre Baureihe 300

Noch in den 30er Jahren hatte Daimler-Benz beschlossen, einen neuen Motor für leichte und mittelschwere Fahrzeuge zu konstruieren. Wegen der schwierigen Beschaffungslage im Zweiten Weltkrieg konnte das Projekt allerdings nicht verwirklicht werden.

Von der materialsparenden Konzeption in kargen Zeiten profitierte der schließlich als „OM 312“ vorgestellte neue Reihensechszylinder mit Beginn der Serienfertigung anno 1949: Er war in seiner Zeit als der spezifisch leichteste Nutzfahrzeug-Dieselmotor. Und das ist ein Pfund, mit dem die gesamte Baureihe 300 noch lange Jahre wuchern wird.

1954 wird aus dem OM 312 (90 PS, sechs Zylinder und 4,58 Liter Hubraum) der OM 312 A, der per Abgasturbolader eine Leistung von 115 PS erzielt. Im gleichen Jahr noch wächst das Hubvolumen auf 5,1 Liter, ändert sich die Bezeichnung in OM 321 und klettert die Leistung auf 110 PS. Nur fünf Jahre später steigt der Hubraum wiederum. Aus den neuen Maßen für Bohrung und Hub (97/128 Millimeter) errechnet sich nun für den OM 322 mit 126 PS ein Hubvolumen von 5,7 Litern.

Feuer für die Schwere Klasse: der neue OM 315

Bei den höheren Tonnagen kommt bei Daimler-Benz als erste Neuentwicklung für den Schwer-Lkw nach dem Krieg der OM 315: ein 145 PS starker und 8,3 Liter großer Vorkammerdiesel, der im anno 1950 gebrachten L 6600 werkelt. Bei stolzen 2100/min erreicht der OM 315 seine Nennleistung und wiegt mit einer Bohrung von 112 Millimetern sowie 140 Millimeter Hub gerade mal 785 Kilogramm.

Noch in den 50er Jahren geht die Bohrung des OM 315 von 112 auf 128 Millimeter in die Breite, der Hub bleibt bei den gewohnten 140 Millimetern. Das macht unterm Strich nun 10,8 Liter Hubraum, auf die der nun OM 326 getaufte Reihensechszylinder bauen kann. Nützlich macht er sich zuerst (ab 1957) in den Export-Lkw L-, LP- sowie LA 331, bis er ab 1958 auch in der 329er-Reihe auftaucht. 172 und 200 PS bei 2200/min sind damit erreicht.

Da finden aber schon längst Versuche mit Direkteinspritzung statt, die drei starke Argumente ins Feld führen kann: gesenkten Verbrauch, Anwerfen ohne Starthilfe (bis minus 15 Grad Celsius) sowie eine wesentlich rußärmere Verbrennung. In den 60er-Jahren machen's OM 346 (schwere Klasse) und OM 352 (Mittelschwere) war. Zwar sind Motorgewicht und Bohrung sowie Hub und auch die Nennleistung identisch mit den Werten bei den Vorgängern. Doch präsentiert sich die Technik im Detail eben vollkommen verschieden: Vorkammern und Glühkerzen entfallen. Der Brennraum ist nun im Kolben untergebracht. Und die Ansaugkanäle sind neu gestaltet.

Beide Motoren haben eine lange Karriere vor sich. Das 5,7-Liter-Aggregat zum Beispiel erstarkt ab 1966 als aufgeladener OM 352 A auf 150 PS, kommt später gar mit 170 PS und werkelt bis in die 80er Jahre nicht nur in Lkw und Bus, sondern auch im Unimog. Der OM 346 spielt als Lkw-Motor in Europa nach Erscheinen der Baureihe 400 keine große Rolle mehr, wird sich aber mit maximal 240 PS im Export weiterhin bis in die 90er Jahre wacker schlagen.

Zehn Zylinder in V-Form treten an

In Europa aber lösen schon zu Beginn der 70er Jahre die vollkommen neu konzipierten V-Motoren der Baureihe 400 die alten Reihensechszylinder größeren Kalibers ab. Den Anfang macht der mächtige V10 namens OM 403, der mit 320 PS jener seinerzeit viel diskutierten Forderung nach acht PS pro Tonne üppig Genüge tut. 125 Millimeter Hub und 130 Millimeter Bohrung lauten die Kennzahlen für den Zylinder, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Programm der 400er-Baureihe ziehen werden. Für den Zehnzylinder resultieren daraus 15,9 Liter Hubraum, 1010 Nm maximales Drehmoment sowie eben 320 PS. Gewonnen ist mit diesem Gleichteilkonzept gegenüber früher eine erhebliche Reduktion der Teilevielfalt, was nicht nur der Produktion, sondern auch dem Kunden das Leben erheblich leichter macht. Statt 1600 Teile wie bei der vorherigen Motorenpalette benötigt die Baureihe 400 nur noch 650 Teile.

Praktisches Baukastensystem

Auf die V-Bauweise (im 90-Grad-Winkel), fiel die Wahl, weil die Aggregate damit kurz, niedrig und leicht konzipiert werden konnten. Mit 9,6 Liter Hubraum tritt in dieser Motorenfamilie das neue, OM 401 genannte V6-Aggregat an, das 192 PS leistet. Für die Leistungsklasse um 260 PS gibt es den V8 namens OM 402 (12,8 Liter Hubraum). Turboaufladung, zumindest in großem Stil, lässt bei den V-Motoren noch eine Weile auf sich warten. Die Ingenieure bemühen die Turboaufladung erst einmal vorsichtig eben beim kleinen Reihensechszylinder OM 352, der 1975 in den mittelschweren Varianten der Neuen Generation kommt und als Sauger 130 PS als Turbo indes 168 PS leistet. Bei der Baureihe 400 ist es dann anno 1980 so weit, als Mercedes eine erste Modellpflege vornimmt und die „Neue Generation 80“ (NG 80) ins Rennen schickt.

Da kommt dann der V8-Ladermotor OM 422 A, dessen Leistung auf 330 PS geklettert ist, die allerdings auch auf 14,6 Liter Hubraum basieren, der sich aus nunmehr 128 Millimeter Bohrung und 142 Millimeter Hub errechnet. Die noch stärkere Variante dieses V8 (OM 422 LA) nimmt zusätzlich zur Turboaufladung erstmals bei Mercedes-Lkw nun auch eine Ladeluftkühlung in die Pflicht, um damit stolze 375 PS Nennleistung zu generieren. Viele Kunden bleiben der neuen Technik gegenüber allerdings fürs Erste skeptisch und greifen weiterhin lieber zum bereits 1979 eingeführten Sauger OM 422, der auf 280 PS kommt.

Stetig baut Mercedes-Benz das Motorenprogramm aus. Im Rahmen der 1980 gebrachten Neuen Generation 80 folgt auf die 14,6-Liter-Motoren OM 422 A und OM 422 LA (375 PS) erst der 250 PS (184 kW) starke Sauger OM 422. Mitte der 80er Jahre schiebt das Werk quasi als Vorgriff auf die Schwere Klasse (SK) als neue Entwicklungsstufe die Motoren OM 442 A (354 PS) sowie OM 442 LA (435 PS) nach. Der OM 442 LA ist seinerzeit der stärkste serienmäßige Lkw-Motor Europas.

V6 neu gefasst

Die 1988 vorgestellte Schwere Klasse (SK) bedeutet einen neuerlichen Schub und auch die letzte Blüte für die Baureihe 400. Die Kürzel 26, 29, 33, 35 sowie 48 erläutern dort, wie’s um die Power der neuen Mercedes-Lkw bestellt ist. Speziell auf den Einsatz in Volumenfahrzeugen hin ist zudem ein neuer V6-Zylinder-Motor entwickelt worden, der die bekannte Größe von 330 PS nun statt des V8 für sich reklamiert. Nur knapp einen Meter lang und gerade mal 720 Kilogramm schwer, passt diese Maschine auch unter die kurzen Kabinen, ohne hinten rauszulugen und dort dem Aufbau in die Quere zu kommen: ideal für die Volumenzüge, die zu jener Zeit sehr im Schwange sind.

Da abzusehen ist, dass die alten Konzepte wenn nicht vor Euro 3, dann aber vor Euro 4 und -5 kapitulieren würden, macht Daimler Mitte der 90er-Jahre noch einmal tabula rasa bei den Motoren. Schon die Norm Euro-1 bedeutete im Schwer-Lkw das Aus für Motoren ohne Ladeluftkühlung und Turboaufladung, Euro 2 brachte mit wenigen Ausnahmen die elektronische Regelung von Diesel-Motoren als neuen Standard. Euro 3 stellte die Motorenbauer noch einmal vor gewaltige Herausforderungen, die sie am Ende aber mit innermotorischen Maßnahmen lösen konnten.

Moderne Zeiten: die Baureihen 900 und 500

Es bleibt zwar bei V-Motoren für die Schweren und Reihenmotoren für Mittlere und Leichte. Sonst aber kommt mit Motorenbaureihen 500 und 900 ein radikaler Neustart. Den Anfang macht 1996 der Vierzylinder OM 904 LA, der auf 102 Millimeter Bohrung sowie einem Hub von 130 Millimetern fußt. Seine Einzelsteckpumpen machen bis 1600 bar Einspritzdruck möglich. Und der wenig später eingeführte Sechszylinder mit 6, 4 Litern vermag in Leistungsklassen vorzudringen, die vordem weitaus größeren Motoren vorbehalten waren. Aufgebohrt auf 7,2 Liter bringt es der Sechszylinder dann ab 2003 sogar auf 326 PS.

In der schweren Klasse kommt ebenfalls 1996 die neue Baureihe 500. Auch diese Motoren sind nagelneu. Immer noch V-Motoren zwar (die sind nun mal leichter und kompakter als vergleichbare Reihensechszylinder), aber mit deutlich mehr Volumen pro Zylinder als bisher. Knapp zwei Liter sind es nun jeweils, die aus 130 Millimeter Bohrung und 150 Millimeter Hub resultieren. Es gibt vier V6 (zwölf Liter) und drei V8 (16 Liter). Von 313 bis 428 PS reicht der Sechszylinder anfangs, wenig später kommt gar noch eine 460-PS-Version. Der V8 regiert die Welt zwischen 476 und 571 PS.

Dank des vergrößerten Hubvolumens erreichen diese Maschinen ihre maximale Leistung schon bei 1800 U/min. Das maximale Drehmoment (bis 2700 Nm im stärksten V8) geben sie jeweils bei 1.080 U/min ab. Wie bei der neuen Baureihe 900 arbeitet die Einspritzung vollelektronisch und setzt auf Einzelsteckpumpen. Statt der drei Ventile wie beim 900er-Motor sind es hier aber vier Ventile pro Zylinder. Wie bei der 900er-Reihe sind im Actros-Motor Steckpumpen für die Einspritzung zuständig, die keine oben liegende Nockenwelle erforderlich machen (wie es bei Pumpe-Düse-Elementen der Fall ist). Der Spitzendruck der Steckpumpen beträgt hier aber 1800 bar (900er: 1600 bar).

Ganz ohne großen Reihensechszylinder geht es dann gegen Anfang des neuen Jahrtausends außerdem doch nicht. Denn als Mercedes-Benz im Jahr 2001 den neuen Schwer-Lkw-Axor (Kabine des Atego und Fahrgestell des Actros) vorstellt, da erweist es sich als nachteilig, dass der V-Motor des Actros nicht unter die Kabine des Atego passt und die 900er-Motoren für den schweren Lkw denn doch zu schwachbrüstig sind. Rettung naht in Gestalt des bisher hauptsächlich in Südamerika verwendeten Reihensechszylinders OM 457 LA, der es auf rund zwölf Liter Hubraum und wahlweise 360, 401 oder 428 PS bringt.


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Euro 3 fast schon per Mausklic

Mit Euro-3-Motoren kommt Mercedes Ende 1999. Es sind nur geringe Umbauten an den Maschinen der Baureihen 500 und 900 nötig, um die verschärften Abgasvorschriften zu erfüllen. Als der Actros 2 im Jahr 2002 modellgepflegt antritt, da steckt einige weitere Feinarbeit in den Motoren, die fast allesamt an Leistung und Drehmoment weiter zulegen. Zur IAA 2004 wird gar noch eine auf 612 PS (450 kW) gesteigerte Variante des V8 kommen, die allerdings einer streng limitierten Fernverkehrs-Kleinserie namens „Black Edition“ angehört.

Mit Euro 4 und -5 jedoch führt kein Weg an Abgasnachbehandlung zurück. Sowohl in Europa bei der 500er-Baureihe als auch in Nordamerika und Asien hat sich Mercedes für den SCR-Kat entschieden, der Zweierlei bewirkt: Zum einen verwandelt er die Stickoxide im Abgas in harmlosen Stickstoff sowie Wasser. Zum anderen erlaubt er obendrein, die Motoren wieder auf eine besonders heiße Verbrennung von hohem Wirkungsgrad einzustellen. Das hat einen besonders günstigen Verbrauch zur Folge.

Euro 6 schließlich und ähnlich strenge Abgaswerte in den USA vor Augen, macht sich Daimler dann im ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends daran, die weltweite Vielfalt an Motoren zu lichten und bringt das künftige Portfolio auf einen kurzen Nenner: "HDEP" steht für "Heavy Duty Engine Plattform" und steht für ein globales Konzept mit vier Heavy-Duty-Grundmotoren von elf bis 16 Liter Hubraum, die prinzipiell für alle Märkte der Triade (Europa, Nordamerika und Japan) vorgesehen sind.


Globale Plattform

So kommt es bei Daimler zum Projekt Heavy Duty Engine Platform (HDEP), das zumindest all den Märkten mit knackigen Abgasvorschriften à la Euro 6 eine einzige Motorenfamilie mit weitgehend gemeinsamem Nenner beschert. Den Anfang macht 2007 der 14,8-Liter-Motor DD15 in den USA, der in Europa OM 472 heißen müsste, für den europäische Gefilde aber erklärtermaßen tabu sind.

Es folgt ein Jahr später der DD13 und wiederum im Jahr drauf auch der Big Block DD16, der erst als OM 473 zusammen mit dem Bau-Lkw Arocs und als Letzter in der Riege der HDEP-Motoren seinen europäischen Einstand gibt. Allen Aggregaten gemeinsam ist die Bauweise als Reihensechszylinder, was vor allem für Europa einen Bruch bedeutet. Geht die V-Motorentradition in der Alten Welt bei Mercedes doch bis auf die 70er-Jahre zurück und waren die Schwer-Lkw mit dem Stern am Grill seitdem immer an den kurz bauenden V-Motoren ausgerichtet.

Reihen- statt V-Motoren

Warum die Wahl für die neue Plattform dennoch auf Reihen- statt auf V-Motoren fiel, ist leicht zu erklären: Nordamerika als der insgesamt größere Markt hat mit V-förmig angeordneten Zylindern nicht viel im Sinn. Tendenziell sind diese Maschinen zu breit für den in Längsrichtung aber üppig vorhandenen Platz unter der Haube. In Fragen von Wartung und Reparatur verfügt der Reihensechszylinder sowieso über das einfachere Wesen.

So kommt es, dass sich die Entwickler aus Japan, den USA und Europa zuerst einmal auf sechs Zylinder in Reihenform einigten. Dass die Zugänglichkeit beim Hauber zum Beispiel eine andere ist als beim Frontlenker, machte die Sache immer noch kompliziert genug und führte zu besonderen Merkmalen wie dem hinten angeordneten Rädertrieb.

Drei neue Grundmotoren für Europa

Vier verschiedene Grundmotoren kommen dabei heraus, drei davon bringt Daimler in Europa: Die Palette reicht vom Elfliter-Aggregat OM 470 über die 13-Liter-Maschine OM 471 bis hin zum 15,6 Liter großen Big Block OM 473, dessen maximale Leistung beim Serien-Lkw derzeit 625 PS erreicht. In den USA gesellt sich zu diesem Trio noch ein vierter Motor mit dem dort klassischen Maß von14,8 Litern Hubraum, der DD15 heißt und nach europäischer Diktion – gäbe es ihn denn in der Alten Welt – also OM 472 genannt werden müsste.

So verschieden die vier Basismotoren in manchem Detail auch sein mögen, ziehen sich als typische Merkmale der neuen Familie folgende Kennzeichen wie ein roter Faden durch das gesamte Konzept: ein steif und somit für hohe Zünddrücke ausgelegtes Kurbelgehäuse, gleicher Guss, identisches Verbrennungskonzept sowie Rädertrieb und gleiche elektronische Steuerelemente.

Medium Duty zieht nach

"Medium Duty" nennt Daimler schließlich die neuen Vier- und Sechszylinder
OM 934 und OM 936 für Euro 6. Sie sind nicht ganz so global angelegt wie die großen Brüder, tragen aber dennoch zu einem guten Teil ähnliche Gene in sich. Im Gleichschritt mit den Großen laufen die Medium-Aggregate beim hinten angeordneten Rädertrieb und mit der dreistufigen Motorbremse. Aber der Druckaufbau im Rail-System zum Beispiel geschieht nicht zwei-, sondern einstufig.

Diese Mittleren haben aber auch etwas, was es bei den Großen nicht gibt: Die Rede ist von einer verstellbaren Nockenwelle, wie es sie bisher im Diesel noch nie gegeben hat. Dank ihr können die Auslassventile bei Bedarf früher als gewöhnlich öffnen und schließen, womit aus dem Zylinder heißeres Abgas entweicht. Dieses Verfahren dient der Regeneration des Partikelfilters und soll bis 30 Grad unter null funktionieren.